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Taenzer der Nacht

Taenzer der Nacht

Titel: Taenzer der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Holleran
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wußte nicht, was geschehen würde, aber er wußte, daß er würde lügen müssen. Worauf er aber nicht gefaßt war, war der feine Strom des Wissens, der aus seinen Gliedern in die von Frankie floß, als sie sich eines Abends liebten – nur eine kurze Pause, nur einen Herz schlag lang, ein kurzer Moment der Gleich gül tig keit, den Frankie sofort merkte, und als Malone sich mit einem Seufzen zurücklegte, veranlaßte ihn das, Malone mit seinen wundervollen besitzergreifenden Augen anzuschauen und mit ruhiger Stimme zu sagen: „Wenn du mich verläßt, bring ich dich um.“
    Es war, als ob die Elektrizität in der ganzen Stadt aus ge fallen sei, als ob plötzlich der Strom abgestellt wor den sei, und eine schreckliche Stille senkte sich über die hallenden Straßen unter ihnen. Malone schauderte. Die Worte waren so unvermittelt, und in einer so tiefen und ruhigen Stimme gesprochen, daß er sie glaubte; und er sah, wie eine Fliege sich über ihnen auf den von der Decke hängenden Fliegenfänger setzte, wie wild anfing zu summen und dann verstummte ...
    Das körperlose Rauschen eines vorbeifahrenden Wa gens stieg mit der entschwindenden Hitze auf; und als später eine kühle Brise durch das Fenster kam, liebten sie sich noch einmal z u m Brummen des Kühlschranks. Mit Frankie zu schlafen war immer wie Sex unter Was ser gewesen. Sie waren wie zwei Schwimmer, die sich unter der Wasseroberfläche in langsamer Bewegung küssen; aber diese Stille und Schwere, die Malone so gefallen hatten – die mittelalterliche Ruhe, die Malone beim ersten Mal in seinen Augen gesehen hatte –, schien ihm jetzt nicht mehr so sehr mittelalterliche Ab ge klärtheit als eine gewisse Schwerfälligkeit des Gei stes zu sein. War Frankie für ihn eine Falle? Genauso klebrig wie der Leim auf dem Fliegenfänger, der über ihnen wie die Papierschlange eines chinesischen Lampions hing? Während er so verschlungen in Frankies Glieder dalag und zugleich ihn liebte und an Dutzende ablenkender Dinge dachte – an die anderen Räume, in denen er schon ge fickt hatte, an den Tod Gottes, an die weißen Hemden seines Vaters –, fand er es doch immer eigenartiger, wie beschränkt auf diesen hohen Turm in den Ruinen der Stadt an einem Sommerabend er war. Vom faulen Lager seiner Matratze aus sah er den erleuchteten Schiffskörper der S.S.Canberra lang sam aus dem Hafen in die offene See gleiten, und über ihnen summte eine weitere Fliege wie verrückt auf dem Klebstoff des Fliegenfängers, und war dann still. Malone lag neben Frankie in einer Art weißen, kühlen, dumpfen Verwirrung; er wußte selber nicht, was ge schehen war, und er beendete das Thema, indem er schließlich durch das große Fenster in den Himmel starrte, den blauen, leeren Himmel, und seine Seele in den grenzenlosen Raum hinaus schweifen ließ.
    „O Mann, o Mann“, sagte Frankie jedes Mal, wenn er in dieser Woche von der Arbeit nach Hause kam, seine Krawatte abnahm und sich einen Joint ansteckte. Er küß te Malone und versuchte, weil er gar nicht ver stand, warum eine gewisse Entfremdung eingetreten war, die Dinge wieder an ihren Platz zu rücken. Malone war ganz gerührt. Er fragte Frankie, wie der Tag gewesen sei, aber sie hatten letzten Endes wenig, worüber sie reden konnten. Früher hatte das nichts ausgemacht, aber jetzt tat das Schweigen weh. Frankie sah gern fern, Malone konnte es nicht ausstehen. Und jetzt mußte Malone ihm zuschauen, wie er die stumpf sinnigen Abende lang die albernen Komödien aus dem Apparat auf sich einrieseln ließ, und Malone fragte sich, was er überhaupt bei jemandem suche, der fernsah und sich jeden Abend bekiffte, seinen Vorgesetzten haßte und schlechte Laune hatte; aber wenn Frankie dann mit einem Glas Wein aus der Küche kam und Malone mit diesen umwölkten Augen ansah, erinnerte er sich ...
    Als er eines Sonntags nachmittags merkte, daß Malo ne nicht länger ertragen konnte, was einmal sein Lieb lingstag in ihrem sonnigen Nest über dem Hafen ge we sen war, beugte sich Frankie zu ihm hinunter, küßte ihn und fragte ihn, als er neben ihm lag und ihn an der Hand hielt, ob er nicht mit nach New Jersey kommen wolle und Frankies Sohn zu einem Spaziergang abholen. Malone fühlte, wie etwas in ihm hochkam. Aber er ging mit, und Hand in Hand mit Enrico zwischen ihnen gingen sie zu den Vergnügungsparks und saßen vor Eisdielen unter der strahlenden Sonne, und Malo ne wurde trauriger und trauriger.
    Seine Gewohnheit, seine Gedanken und Erlebnisse ins

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