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Taenzer der Nacht

Taenzer der Nacht

Titel: Taenzer der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Holleran
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entlangging, aus meiner Kehle zum Himmel aufstieg, weil ich gerade einen von Gottes Engeln gesehen hatte, ein schmachtendes, sehnsüchtig blickendes Gesicht in einer Toreinfahrt, oder wenn ich auf dem Weg zum Tanzen war, so glücklich und lebendig, daß ich nur noch schreien konnte. Ich bin eine Queen („Im Palast zu leben verändert ganz schön“, sagte dazu jemand), meine Seele ruft zu Dir. Der Mond, der schon den Himmel über den verlassenen Häusern der Bowery über flutete, wenn wir aufwachten, schien mir schöner als jeder Sommermond, den ich über den goldenen Mauern von Toledo hatte hängen sehen. In der Luft lag eine eigenartige Energie, die die Tauben in den Dach rinnen der Wohnblocks aufgeregt hin und her rennen ließ. In dieser vö l ligen Stille klingelte dann das Tele fon, aufregend, fröhlich, und wir tauchten wie in ein Bad in einen Strom von Klatsch, um die vorherge gan gene Nacht in Erinnerung zu rufen, zu analysieren und zu beurteilen, und einen Ausblick auf die kommende zu halten.
    Die Tunte wirft sich in ihre Klamotten und sondert dabei erst einmal mindestens zehn Hemden, fünf Hosen und unzählige Gürtel aus, bevor sie sich für eine Kombination entscheidet, während d a s Ehepaar nebenan sich das Geschirr an den Kopf wirft. Sie nimmt ihr einsames Abendbrot ein, spartanisch wie ein Sportler vor dem Wettkampf (manche auch, um die Drogen, die sie nachher nehmen wollen, richtig wirken zu lassen), während sie nebenan besoffen herum brül len. Und dann, genau wie die polnischen Barbiere, die allabendlich auf den Stufen ihres Ladens stehen und sich dann umdrehen, um ins Bett zu gehen, schlüpft sie aus ihrer Hütte – denn eine richtige Tunte wohnt in Ruinen; sie lebt nur, um zu tanzen – und ist schon mitten in der Nacht, auf der Straße, diesem ekstati schen Strom, der durch New York fließt, und sie so unausweichlich, wie die Adria Venedig unterspült, hinab in die dumpfe warme U-Bahn spült, wo sie erst einmal die Herrentoilette inspiziert. Ein alter Mann sitzt verdrießlich auf einem Klobecken über einem Matsch von nassem Klopapier und schaut auf, als sie hineinspäht, denn auch er wartet auf die Liebe. Die U-Bahn kommt; sie eilt zu dem Ort, an dem sie sich heute entschlossen hat zu tanzen. Manche der Tänzer sind schon auf Trip und betreten die Disco mit dem strah lenden Lächeln der Heiligen Drei Könige, die das Christ kind sehen; andere, die es noch nicht sind, kom men mit einem gelangweilten Gesicht herein, als ob das nun wirklich das letzte wäre, wozu sie heute nacht Lust h ä tten. Nach einer halben Stunde sind sie nicht mehr zu unterscheiden, schweißtriefend, ekstatisch, unter getaucht in der Masse. Denn tatsächlich waren für die meisten von uns keine Drogen nötig, die Musik und junge schwitzende Körper reichten uns völlig. Und wenn es am nächsten Tag zu heiß und zu feucht war, um zu schlafen, und wir schweißgebadet auf wachten, so machte das gar nichts: Wir blieben in diesem Zustand animierter Beschwingtheit den ganzen heißen Tag lang. Wir lebten von Musik und Liebe, wir waren arm.
    Aber es war uns ganz egal, wo wir wohnten, und was wir den Tag über für unseren Lebensunterhalt tun mußten; letztlich, wenn du nur lang genug gewartet hattest, standest du vor dem Spiegel in dem billigen Zimmer, schautest dir wie ein Schauspieler vor dem Auftritt ein letztes Mal prüfend ins Gesicht, bevor du hinauseiltest, um in die Diskothek zu kommen, in der du dann jemanden wie Malone sehen konntest. Wäh rend dieser Sommer am Strand, der Winter in der Stadt verloren wir ihn nur selten aus dem Blickfeld. Er war bei den großen Parties in The Pines dabei – bei einer von ihnen kam Sutherland im Hubschrauber an, auf eine große Bank aus Polyäthylen-Bananen gelagert und verkleidet als Carmen Miranda – und er war in den zwielichtigsten Bars in Hackensack, wo wir manch mal hingingen, wenn wir hörten, daß ein be stimm ter Discjockey dort arbeitete. Als dann alles zum Geschäft verkam, und die breite Masse anfing zu tan zen, mußten wir manche Orte aufgeben, weil sie zu professionell wurden, zu bekannt, zu glatt. Orte, die wir geliebt hatten – wie das Kellerloch am Times Square, wo wir Malone oft sahen – wurden jetzt plötzlich im New York— Magazin, in Newsweek oder in Gentleman’s Quarterly beschrieben, und dann, im letzten Stadium vor dem Tode, gingen wir noch einen Abend hin und betrachteten, wo wir uns einst gedrängt hatten, die eksta tischen Riten des Dionysos zu feiern,

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