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Taenzer der Nacht

Taenzer der Nacht

Titel: Taenzer der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Holleran
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verstanden hatte, sagte er ,,Ah, nein!“ und wurde daraufhin ins Paradies eingelassen. Die Stimmung in diesen Räumen war wirk lich außergewöhnlich: Am Strand floß die Musik aus den offenen Fenstern, wanderte am Ufer auf und ab, verlor sich in der sternklaren Nacht, genauso, wie sexuelle Sehnsüchte an Sommerabenden in der Stadt mit den Tauben und der Hitze des Tages zum Himmel aufsteigen. Aber im Winter waren in diesen Räumen in der Stadt Musik und Männer zusammengepfercht, die Natur ausgeschlossen, und jeder auf ein ekstatisches Glühen reduziert. Wie ernsthaft es war, wie dunkel, wie tief – wie schmerzhaft, wie verzweifelt. Wir nähr ten uns von bestimmten Melodien in den Musik stücken und von der Nähe eines anderen, der neben dir tanzte, das Abendmahl aus der gleichen Hand ent gegennahm, von Schweiß durchtränkt, geschüttelt von den gleichen Tamburins.
    In der ersten Nacht, in der Malone in diese Bar ging, war er entsetzt über die Musik (die er noch nie vorher gehört hatte, und auch jetzt kaum hören konnte) und die Roheit der Leute, während Sutherland gerade dieses Ordinäre liebte. Später in der Nacht umkreiste eine Trine Malone, faßte ihn um die Hüfte, warf ihren Kopf zurück und begann, vor ihm zu tanzen – wie vor einem Götzenbild im Dschungel – und zog ihn auf die Tanzfläche, wo er versuchte zu tanzen, denn auch jetzt konnte er noch niemanden zurückweisen. Es war auch klug so. Denn das Ego war groß und die Wutaus brüche schnell an diesem Ort; die kleinste Beleidigung konnte einen Kampf mit Schnappmessern nach sich ziehen. Die Trine drehte sich um Malone wie Rita Hay worth in einem Film, der nie gedreht wurde, bis das Stück aufhörte und Malone lächelte, etwas murmelte und sich unauffällig zu Sutherland zurückzog, der sich vor Lachen krümmte. Malone hatte immer noch nur eine Verhaltensweise für alle Leute, und die war wohl etwas zu höflich für diese Lokalität. Tatsächlich wurde er so mehrere Male entführt, bis er sich in einer Ecke versteckte, hinter mehreren Reihen von Leuten, denn er war schüchtern, und wollte sich nicht unbedingt auf der Tanzfläche produzieren. Noch dazu war er kein guter Tänzer. Und hier waren alle gute Tänzer. Man durfte die Menge aber nicht unterschätzen – es war die Sorte Volk, das eines Nachts eine Diskothek in der Bronx anzündete, weil ihm die Musik nicht gefiel. Wie Sutherland einmal murmelte, als er anfing, sich nach einem Notausgang umzusehen (wir wären alle in weni gen Minute erstickt, wenn es hier angefangen hätte zu brennen, übrigens auch an jedem anderen Ort, zu dem wir gingen, Saunen, Bars und Diskotheken): „Wenn hier ein Brand entstünde, mein Lieber, wäre wohl keiner ein Held.“ Wir blieben sowieso, bis sie zu mach ten – denn die Musik war erstklassig – und tanz ten neben den Botenjungen, die so vollgekifft waren, daß sie nur noch für sich selbst mit geschlossenen Augen vor dem Spiegel tanzten; und wenn wir schieß lich wieder an die Oberfläche kamen, konnte man von den leeren Bürgersteigen des Times Square aus, die um diese Zeit so leer, sauber und gespenstisch waren wie die Ozeane auf dem Mond, schon die Sonne aufgehen sehen.
    Wir alle hatten Malone gesehen, aber als wir mit der U-Bahn nach Hause fuhren, sprach keiner über ihn, obwohl jeder von uns an den hübschen Mann dachte – und er hatte uns gesehen. Was muß er zu dieser Zeit von uns gedacht haben! Als wir in jenem Winter in der Bärtigen Lady tanzten, waren wir schon seit mehreren Jahren ausgeflippt. Wir lebten nur, um zu tanzen. Was ist eigentlich das Erkennungsmerkmal einer Tunte, frag te ich mich später. Darüber könnte man sicher ewig streiten. „Was haben wir alle in dieser Gruppe bloß gemeinsam?“ fragte ich ernsthaft einen Freund, als mir auffiel, wie dünn, wie immateriell, wie neben sächlich das Band war, das uns zusammenhielt; und er gab zurück: „Wir haben alle Lippen.“ Vielleicht war es das, was wir alle gemeinsam hatten: Keiner durfte ernst haft sein, außer wenn es um Musik ging und um die Schönheit von Gesichtern in der Menge. Wir hatten unsere Musikstücke, wir hatten unsere Gesichter! Wir hatten unsere geflochtenen Gürtel und unsere Jeans, unsere Mützen und Haarschnitte, karierte Hemden und die über alles wichtigen Schuhe.
    Was waren wir doch für Tunten! Wenn wir uns auf der Straße trafen, stießen wir einen gellenden Schrei aus, derselbe, der manchmal, wenn ich an einem völlig verlassenen Block am unteren Broadway

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