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Taenzer der Nacht

Taenzer der Nacht

Titel: Taenzer der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Holleran
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aber er will ihn aus der Ferne aushalten, als ob er jeden Monat zehn Dollars an eines dieser Waisenkinder in Hongkong senden würde. Also, er kommt nächsten Monat, und warum sollten wir dich ihm dann nicht vorstellen; dann könntest du dich für den Rest deines Lebens in deiner Villa im Mittleren Westen niederlassen, dank Dr. Molina y Pran.“
    „Aber ich will mich nicht aushalten lassen“, sagte Malone. „Ich will einen Job.“
    „Einen Job?“ fragte Sutherland. „Als was? Disc jockey? Oder Hausmeister? Was willst du für die letzten zehn Jahre in deinen Lebenslauf schreiben?“
    „Ich ...“ sagte Malone.
    „Das einzige, was du machen könntest, wäre zu be haup ten, du seist Kriegsgefangener in Rotchina gewe sen. Das wäre weit einfacher, als das, was du wirklich gemacht hast. Was hast du eigentlich wirklich ge macht, mein Lieber?“
    „Nach Liebe gesucht“, sagte Malone mit ruhiger Stim me.
    „Nach Liebe gesucht.“ Sutherland hielt einen Mo ment inne und sagte dann: „Nein, ich glaube eigentlich nicht, daß du damit sehr weit bei Union Carbide kämst. Oder bei Ogilvy & Matter. Oder den Leuten von Ford. Nach Liebe suchen ist eigentlich nicht eine der üblichen Beschäftigungen in Lebensläufen. Siehst du, du hast in den letzten zehn Jahren Tagebuch geschrieben, während alle anderen an ihrem Lebenslauf gefeilt haben. Glaube nicht, daß dir das verziehen wird. Schließlich ist auch das Empire State Building nur eine Anhäufung sublim ier ter Liebe.“ An diesem Punkt schauten wir alle auf seine silberne Spitze, die sich weniger als fünfzehn Häuserblocks entfernt über die Parkbäume erhob, glänzend im Flutlicht, ein fast gezähmter Traum hoch über den Laubschichten.
    In diesem Moment kam eine schmuddelige Pennerin aus der Dunkelheit, blieb vor ihrer Bank stehen und sagte mit einer rauhen, heiseren Stimme, während sie sich mit ihrem kleinen Hut auf dem Kopf und einer Einkaufstasche in der Hand zu ihnen vorbeugte: „Gebt mir ‘n Vierteldollar. Ich brauch’ was zu trinken.“
    Malone griff in die Tasche und gab ihr einen Viertel dollar, und während sie ihre Hand in den Geldbeutel steckte, sagte sie: „Danke, Kumpel.“ Und dann, immer noch nach vorne gebeugt, drehte sie auf einmal den Kopf zu einer Bank schräg gegenüber, auf der zwei Männer saßen und rauchten und darauf warteten, daß einer von ihnen den ersten Schritt machte, und sagte: „Verdammte Tunten! Man sollte sie einsperren!“ Und dann ging sie weiter den Weg hinunter zur nächsten Bank, um die Leute dort anzuquatschen.
    „Du liebe Güte“, sagte Sutherland. Und dann: „Da hörst du mal, was du bist. Du kannst wohl kaum nach Winesburg, Ohio, oder wo du her bist, zurück und dort leben. Und vor allem haben wir ganz vergessen – weiß deine Familie es eigentlich? Daß du stockschwul bist?“
    „Nein“, sagte Malone.
    „Also gut, meinst du nicht, du solltest ihnen vorher ein Telegramm schicken? Oder hast du vor, am Grab deines Vaters zu stehen, und dich zu fragen, warum du ihm nie die wichtigste Tatsache deines ehemals schillernden Lebens anvertraut hast? Und denk an die Gefühle am Grab deiner Mutter! Nein, ich glaube, du bist es ihnen beiden schuldig, ihnen dein dunkles, klei nes Geheimnis zu enthüllen. Sag ihnen, daß du schwul bist.“
    „Ich kann nicht“, sagte Malone ruhig.
    „Dann sollt e st du wohl besser diesen mythopoeti schen Traum vom weißgestrichenen Haus, dem großen Rasen und den tanzenden Mücken fallen lassen.“
    „Dann lebe ich eben allein im Wald“, sagte Malone.
    „Da wirst du aber ziemlich allein sein“, sagte Suther land. „Selbst Thoreau ging nachmittags in die Stadt, um etwas Klatsch zu haben.“
    „Du könntest ja mitkommen.“
    „Nicht eine Minute“, sagte Sutherland, „ich kann nur in New York leben; entführe mich von dieser Insel und ich verdunste. Ich bin wie eine Meerespflanze, die wun derschön unter Wasser ist, aber wenn man sie aus dem Meer holt, völlig ihre Farbe verliert. Du würdest mich auf dem Land nicht mögen“, sagte er und hielt inne, um die Kassette zu wechseln. „Da gäbe es keinen Klatsch und kein Lachen, wir würden uns tödlich langweilen und anfangen, uns gegenseitig zu hassen. Stell dir vor, jeden Abend allein Abendbrot, nur wir beide. Ich bin amüsant, ich bin voller Leben, ich bin eine Stadtpflanze. Verpflanze mich, und ich sterbe dir zwischen den Händen.“
    „Also gut, ich liebe dich“, sagte Malone.
    „Rede keine Obszönitäten“, antwortete

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