Taenzer der Nacht
Sutherland.
„Aber ich liebe dich wirklich“, sagte Malone.
„Würdest du ein Kind von mir austragen?“ fragte Sutherland.
„Nimmst du das auch auf?“ fragte Malone.
„Natürlich, Liebling, ich nehme jetzt alles auf. Ich schreibe an einem realistischen Roman.“
„Also gut, ich liebe keinen außer dir“, sagte Malone.
„Nur, weil ich dich amüsiere, ist das noch keine Lie be“, sagte Sutherland.
„Was sonst?“
„Liebe ist, wenn dir egal ist, ob der andere die Trä nen säcke unter deinen Augen sieht, wenn du morgens aufwachst. Das muß Liebe sein. Oder, wie Dr. Rose Franzblau sie in der Washington Post definiert? Die wechselseitige Unterstützung zweier reifer Menschen, die jeder für sich nach Selbsterfüllung streben? Auf jeden Fall ist es nicht Liebe, was du brauchst“, sagte er. „Sondern Geld. Alle Probleme sind in Wirklichkeit finanzieller Natur.“
„Sei nicht albern“, sagte Malone.
„Du siehst gut aus, bist intelligent, hast eine gute Ausbildung: nun verkauf dich teuer, Bürschchen.“
Ein Schwarzer hob plötzlich seinen Kopf und sagte: „Was is’ los, Baby!“ Und als er keine Antwort bekam, sagte er: „Scheiße, nur Schwule hier ... Scheiße! Nichts als Schwule! Scheiße!“ Er setzte sich auf, schlug sich mit der Hand auf den Schenkel und sagte : „Haste ‘ne Zigarette, Bruder?“ Und Sutherland gab ihm eine Gau loise. „Danke, Mann. Junge, ich sollte doch in ... Ich sollte doch gestern schon in Chicago sein. Was is’ heu te?“ „Samstag“, sagte Sutherland. „Das Fest der Heili gen Agnes, Jungfrau und Märtyrerin.“
„Richtig, richtig“, sagte er. „Tja, also ich sollte Don ners tag in Chicago sein, aber ich war zu besoffen! Total besoffen! Und ich bin immer noch besoffen!“ sagte er und lag da, mit einer Hand am Hals und zerrte an seinem Kragen. Er drehte sich auf die Seite und wand te allen seinen Hintern zu.
„Du weißt doch, John Schaeffer“, sagte Sutherland, „dessen Familie, wie ich letzte Woche erfuhr, Union Carbide gehört, der hat dreitausend Morgen Land. Willst du nicht dein Heil dort suchen?“
„Nicht gerade, aber wir müssen ‘raus aus New York.“
„Aber verstehst du denn nicht“, sagte Sutherland. „Wir können nicht. Wir haben doch keinen roten Hel ler. Und selbst wenn, wo sollten wir denn hin? Sie warnen dich vor Drogen, aber diese Stadt ist die schlimm ste Droge von allen. Wo könnten wir denn nun wirklich hin? Oslo? Marrakesch? Die Südsee? Bue nos Aires? Caracas, Santiago? Rom, München? Ibiza, Athen? Kabul? Vielleicht Kabul“, sagte er. „Wir könn ten blauen Lidschatten tragen und in einer Lehmhütte wohnen, und dem Wind zuhören, einfach dem Wind zuhören ... Natürlich ist da noch die wundervolle Ge schichte mit der englischen Tunte, die sich mit dem Arsch nach oben auf einen Haufen Schaffelle außer halb der Stadt von Kabul warf, und von 25 Mitgliedern einer vorbeiziehenden Karawane vergewaltigt wurde. Das wäre etwas, worauf man sich freuen könnte. Sollen wir nicht nach Kabul?“
„Also am liebsten wäre ich Fluglotse auf einem kleinen Flughafen in Florida“, sagte Malone, als ob er laut träume. „Ich möchte weiße Hosen tragen und ein weißes Hemd. Und ein Paar silberne Flugzeugflügel auf meiner Brusttasche. Ich möchte bei Sonnenunter gang in meinem Turm sitzen, mit einem Bier in der Hand, während wir auf das Postflugzeug aus Miami warten. Ich sitze da in meinen gestärkten weißen Hosen und meinem gestärkten weißen Hemd. Ich möchte ein Fluglotse in einer verschlafenen tropischen Stadt sein“, sagte er. „Das wäre für mich der Himmel auf Erden.“
„Ist das wirklich, was du willst?“ fragte Sutherland. „Du willst ein richtiger Mann sein?“
„Wie soll ich das wissen“, seufzte Malone. „Wir sind frei alles zu machen, überall zu leben, das ist ganz egal. Wir sind völlig frei, und das ist der Horror.“
„Vielleicht möchtest du ein Valium“, sagte Suther land. „Ich habe zufälligerweise vier-oder fünfhundert dabei.“
Aber Malone dachte jetzt nach und betrachtete die Männer, die einander in der Dunkelheit Zigaretten anzün deten und Sex unter den Bäumen machten, und er wandte sich zu seinem Freund um und sagte mit einer verwunderten Stimme: „Ist es nicht eigenartig, wenn wir uns verlieben – dieser große Traum, den wir haben, diese außergewöhnliche Krankheit, das einzige, was jeden von uns interessiert –, dann unweigerlich in einen völlig gewöhnlichen Idioten, der aus
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