Taenzer der Nacht
Plaza“, fügte er hinzu und steckte noch einmal den Kopf aus unserem Eingang, „sowas wie eine Tupper-Party!“
Und er verschwand im Haus.
John Schaeffer hatte, als er aufstand, um Malone hoch zu begleiten, aus einem seiner Bücher einen Brief fallen lassen, und jemand bückte sich und hob ihn von den Stufen auf. An Klatsch gewöhnte Trinen, die wir waren, hörten wir ganz entzückt zu, wie er ihn laut vorlas. Der Brief war nicht gerade das, was man von einem Absolventen von Princeton erwartet hätte, des sen Schüchternheit uns dazu verleitet hatte, ihn für einen Snob zu halten, und dessen Leben sich, wie Suther land jedermann versicherte, in den Breiten graden abgespielt hatte, die nur von den wirklichen Reichen bewohnt werden. Er hatte nach Sutherlands Aus sage fast seine ganze Jugend im Ausland ver bracht, auf Schulen in Frankreich und England, und Latein mit van der Heydens und Goelets gelernt, oder auf der Farm seiner Großeltern in Montana, oder ein fach auf der Yacht seines Vaters; und das Leben war für ihn jetzt und für alle Zukunft eine fast ländliche, ganz den Jahreszeiten unterworfene nomadische Exi stenz. Er hatte sich nie wirklich mit der Realität aus einandersetzen müssen, erklärte Sutherland mit einem gewissen Triumphgefühl. Leute waren in seinem Le ben aufgetaucht und verschwunden wie die Inseln, zwischen denen er jeden Sommer mit seiner Familie hindurchfuhr, jeden Tag eine andere, in einer nicht ab reißenden Kette wie die Melonen, die sie unter einem Baldachin auf dem Heck aßen. „John Schaeffer“, sagte Sutherland gelegentlich, „ist seltsamerweise in der Ruhe, dem Lebensrhythmus und der Einsamkeit eines Hirten aufgewachsen!“
Aber der Brief legte eine Seele frei, die doch etwas komplizierter war. „Dear Andy“, begann er.
Laß mich zuerst sagen, wie sehr ich jeden von Euch vermisse. Am Anfang der Ferien lag ich drei Tage in mei nem Zimmer und konnte nicht einmal zum Essen herun ter kommen. Meine Eltern hatten Verständnis dafür. Ich finde, Du, und ein paar andere, und ich, wir waren wirklich sehr, sehr glücklich. Hoffentlich werden wir so etwas noch einmal erleben. Jedenfalls bin ich jetzt in New York, denn die Fahrt die Donau hinunter fiel aus, und ich habe, obwohl ich Städte hasse, jemand absolut Wunderbaren kennengelernt, von dem ich möchte, daß Du ihn auch kennenlernst, wenn Du diesen Herbst nach Hause kommen kannst. Er läuft mit einer Hor de unmöglicher Leute herum – viele Drogenabhängige und Ausgeflippte – und lebt in einem schabenverseuchten Loch an der Lower East Side, aber das nur, weil er sich vor einem früheren Freund versteckt, der ihn umbringen will. Ja, ich fürchte, ich habe mich nicht nur zum ersten Mal in meinem Leben verliebt, sondern auch noch in der falschen, unpas sen den Art, wenn Du verstehst, was ich meine. Er ist all dem gegen über ganz ruhig und natürlich; ich glaube, er hat auch gelitten, aber seine Art ist sehr geradehe r aus und anständig. Er ist jemand, mit dem Du sicher gerne Squash spielen wür dest. Er erinnert mich etwas an Tom Esterhazy – und auf gewisse Weise auch an Bunny Molyneux – und doch ist er wie niemand sonst. Weißt Du, das Leben ist jetzt so schrecken erregend – für jeden von uns, meine ich – so stumpf sinnig, daß für mich mehr und mehr nur noch einzelne Leute von Bedeutung sind. Die wenigen, die mir wichtig sind. Er scheint so eigenartig verloren, so weichherzig, und nett, und verwahrlost. Aber damit bezaubert er jeden, glaube ich. Deshalb sind auch so viele hinter ihm her – Gott, und wie vulgär manche sind! Ich bin so glücklich, wenn er mich nur anschaut.
Seine Augen sind so außergewöhnlich, daß ich den glei chen tiefen Frieden über mich kommen fühle wie in Mont Saint-Michel – vielleicht erinnerst Du Dich – an jenem Okto berabend in der Kapelle. Dieselbe Ruhe spricht aus seinen Augen. Sie sind graublau. Er sieht beinahe aus wie ein Gemälde von Burne-Jones. Er berührt mich tatsächlich so stark, daß mir, wenn ich in seiner Nähe bin – wenn ich ihm auf der Straße begegne, zum Beispiel – die Knie anfan gen zu zittern. Ich kann dann kaum noch stehen. Das ist mir wirklich noch nie passiert! Ich habe natürlich nie im Traume daran gedacht, daß er überhaupt Notiz von mir nehmen könn te, aber dieser Freund von mir, der mich überallhin mit nimmt (eine ungewöhnliche Person, auf ihre Weise) erzählte mir gestern abend, daß er an mir interessiert sei. Ich konnte es gar nicht
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