Taenzer der Nacht
sagte Sutherland, „dafür müßtest du den ‚ Niedergang des Hauses Savoyen’ lesen“, sagte er und bezog sich dabei auf ein obskures Sechs-Bände-Werk der deutschen Geschichte, das eines seiner Lieb lings bücher war. „Ganz zu schweigen von der ‚ Auto bio graphie der Heiligen Therese’ und dem Leben von Mahatma Gandhi. Liebling, dafür br ä uchtest du min de stens ein Jahr auf Fire Island, um das alles zu verstehen. Mach dir keine Sorgen, du kommst schon noch so weit“, sagte er. Denn Sutherland hatte ein Haus in „The Pines“ gemietet und bereits einen großen Teil von Malones Garderobe dorthin bringen lassen, damit er sich dort in einer ansprechenderen Umgebung als dem St.Marks Place zeigen könne, denn es gab poten tielle Kunden, die um ihr Leben nicht an die Lower East Side gefahren wären.
„Fire Island?“ fragte der Düngemittelerbe.
„Fire Island Pines“, seufzte Sutherland. „Eine be stimm ter kleiner Ort am Meer, wo Leute für kreativ gehalten werden, weil sie Schaufenster bei Saks gestal ten. Aber mach dir keine Sorgen – es gibt dort auch noch andere Dinge. Wilde Hirsche im Herbst, und noch wildere Jungen zu fast jeder Jahreszeit, du wirst schon sehen. Ich werde dir die ‚ Gefährliche Insel’ zeigen.“
„Warum gefährlich?“ fragte sein Schützling.
„Gefährlich, weil du dort dein Herz verlieren könn test“, sagte er und stand auf. „Oder den Kopf. Oder die nen Ruf. Oder deine Kontaktlinsen. Horst!“ rief er und winkte einem Mann auf der anderen Straßenseite zu, der Sutherland kürzlich erzählt hatte, daß er 4.000 Quaaludes zu verkaufen habe, zu 71 Cents das Stück – ein wirklich günstiger Preis, und eine Chance, die Suther land nicht entgehen lassen konnte, jetzt, wo er John herumführte. „Entschuldigt mich“, sagte er, „ich muß einen Mann wegen einer Schiffsladung Bananen sprechen. Ich bin sofort zurück!“ Und er verschwand um die Straßenecke, um Horst in die Second Avenue zu folgen.
Während wir noch zusahen, wie er hinter Horst her lief, kam ein Taxi um die Ecke, und Malone stieg aus; er sah immer noch wie ein deutscher Matrose auf Ge ne sungsurlaub auf Malta aus. Sein Arm hing in einer Schlinge (allerdings nur bei bestimmten Kunden), und er trug weiße Hosen und ein hellblau-gestreiftes Polo hemd an. „Hallo zusammen“, sagte er lächelnd, als er sich umdrehte, nachdem er den Taxifahrer bezahlt hatte. Er kam gerade von einer Stunde mit einem älteren Psychiater im Ruhestand, der ihm hundert Dol lar dafür bezahlt hatte, daß er auf seinem Aubusson in blauen Speedo-Badehosen stand, während der Psy chia ter sich zu seinen Füßen einen herunterholte. John stand auf und sagte, daß er darauf warte, daß Suther land von einer Besorgung zurückkomme, zu der er gerade geeilt sei. „Etwas mit einer Schiffsladung Bana nen“, sagte John langsam.
„Oh“, Malone lachte, weil er einen Ausdruck Suther lands wiedererkannte. „Macht auch nichts, dann war ten wir oben auf ihn. Wir können ja ein Bier zusammen trinken.“
John stand auf und sagte: „Oh ja, gerne.“ Und dann wurde er ganz blaß bei dem Gedanken. Wie bei allen schüchternen Liebhabern war das letzte, was er wollte, allein mit seinem Geliebten zu sein! Er wollte ihn lieber noch länger im Geheimen anbeten. Aber jetzt konnte er nicht mehr zurück; der Augenblick der Wahrheit war gekommen. Er nickte uns zu, und sie gingen zusam men hinein. Einen Moment später kam Sutherland zur Veranda zurück: „Und wo ist mein Hühnchen?“ fragte er. „Er ist mit Malone hoch gegangen“, erklärten wir.
„Aha!“ sagte Sutherland. „Prima! Ich werde sie einen Moment alleine lassen. Aber nicht zu lange!“ Und er setzte sich wieder zu uns auf die Stufen. „Sich zu ver lieben ist so eine diffizile Angelegenheit“, sagte er und steckte sich eine Gauloise an. „Genauso, wie den rich t i gen Zeitpunkt abzupassen, wann ein Braten fertig ist.“
„Ein Braten“, sagte Hobbs.
Sutherland stand auf. „Aber eigentlich sind das erst kleine Kartoffeln. Wartet nur, bis wir ihn verheiraten!“
„Ihn verheiraten? Mit wem denn?“ riefen wir.
„Mit Malone natürlich“, sagte Sutherland und ging zur Treppe. „Der Vertrag ist schon entworfen. Malone bekommt ein paar Häuser in der Stadt, und ich ... aber ich sollte lieber den Mund halten. Ihr kommt doch zur Hochzeit, nicht? Ich verspreche, im Vergleich dazu wird die Hochzeit von Ven e dig so etwas Ähnliches wie ein Feuerwehrball. Und Lally’s im
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