Taenzer der Nacht
und der leeren sommerlichen Straße fühlte Malone, wie sich tiefer Frieden auf ihn legte. Das war alles, was er jetzt brauchte: die verwischte Anmut des Bankbeamten, der sich hinunterbeugte, um eine Kerze anzuzünden in der unbewußten Schönheit einer Gestalt auf einem Tempelfries. Er fragte sich, ob er über haupt klingeln solle; aber warum eigentlich! Er liebte ihn, während er da auf der Straße stand und sich daran erinnerte, wie sein Schwanz wie ein Seerosen blatt auf dem Wasser schwamm. Er liebte diese Jun gen, wie ich auch, und unter ihnen zu sein, war schon genug; er war ihnen hörig, den Puertoricanern hörig.
Er beobachtete sie auch jetzt noch, wie sie die Straße auf und ab wanderten, in ihren Tennisschuhen, Jeans und billigen Lederjacken, während Sutherland fort fuhr, von den Vorteilen einer Verbindung mit einer reichen und prominenten Familie in Buenos Aires zu schwärmen, bis ein Taxi aufkreuzte und ihm ein Dreh buch autor entstieg, der einmal in Hollywood sehr erfolgreich gewesen war. Und während Malone sich mit ihm auf dem Bürgersteig unterhielt, sah er hinter ihm einen puertorica nischen Jungen vorbeilaufen, der über haupt nichts mit Glanz, Reichtum oder Erfolg zu tun hatte: ein Junge, der Juan Rafael hieß und als Kranken pfleger in der Nachtschicht des Beth Israel-Kranken hauses arbeitete und danach in Jeansjacke und Tennis schuhen unseren kleinen Park kam und es sich gestat tete, sich in einem Blumenbett von irgendeinem Mann einen blasen zu lassen, während er dastand, auf die Uhr schaute und sagte: „Komm, beeil dich, ich muß gehen.“
Seine düsteren, dunklen Augen, Augen, die sich bei Regen umwölken, ließen Malone wehmütig über die Kasch mirschultern des Drehbuchautors schauen. Er zog Juan Rafael vor. Er liebte den Schalterbeamten, der von der Arbeit nach Hause kam und sich in die Bade wanne legte, nachdem er die Kerzen in den Untertas sen auf dem Boden angezündet hatte. Er liebte sein häusliches und bescheidenes Leben. Wenn Malone mit Innenarchitekten, Modeschöpfern und Diskotheken be sit zern tanzte, die sich in dem einen Jahr Maseratis kauf ten, im nächsten einen Mercedes, um ihn um drit ten gegen einen Rolls-Royce in Zahlung zu geben, so hielt er sie für wirklichkeitsnah in einer Weise, wie er es nicht sein wollte. Ich bin es so satt, dachte er, wäh rend er da auf dem belebten Bürgersteig stand, ich muß raus aus New York. Und so gingen die drei, Malone, Sutherland und der Drehbuchautor, zu einem Abendessen in der Wohnung eines wohlhabenden Textil fabrikanten am Beekman Place.
Von allen diesen Bewerbern um Malones Hand je doch war der bei weitem reichste der jüngste und am wenigsten hochgestochene, und der, der am schmerz haf testen verliebt war: John Schaeffer. Mit achtzehn hatte er 26 Millionen Dollar geerbt, und mit dreißig würde er noch einmal 26 Millionen erben. Seine Fami lie hatte ihn in einer wohlbedacht normalen Weise erzogen – hatte ihn vor allem vor der Infizierung durch die unnatürliche Tatsache dieses riesigen Vermögens ge schützt – so-daß er sich überhaupt nicht von irgend einem anderen gut erzogenen, idealistischen und un ein gebildeten jungen Mann unterschied. Er schien eher etwas weltfremd – sein bleiches Gesicht, die Aufmerk sam keit in seinen Augen, wenn er dasaß und zuhörte, wer auch immer gerade sprach. Unabhängig davon waren sechs Männer zu seinen Treuhändern bei Mor gan Guaranty ernannt, trotz aller demokratischen Ab sichten seiner Eltern. Sutherland beobachtete jetzt morgens immer die Kurse auf dem Aktienmarkt, um zu sehen, wie sich Union Carbide entwickelte, und er liebte es, ihr gigantisches Verwaltungsgebäude an der Park Avenue als Johns kleines Stadthaus zu bezeich nen. Ein moralischer Mann versteht nichts von dem, was ein unmoralischer unternimmt – und nimmt alles, was der letztere tut, mit einem gewissen Mißtrauen auf. Und da niemand entscheiden konnte, ob Suther land wirklich unmoralisch war, oder so moralisch, daß er auf jede Beziehung mit anderen Männern verzichtet hatte, fragten wir uns doch ständig, ob er tatsächlich vorhabe, Malone zu verkaufen. Wir hatten natürlich schon von Jungen gehört, denen man Besitz geschenkt hatte; Ausgehaltene, Liebhaber, denen schließlich ein legales Miteigentum an irgendeinem großen Landbe sitz, einem Wohnhaus an der Third Avenue oder einem Haus auf Fire Island eingeräumt worden war; aber es schien uns kaum vorstellbar, daß irgend je mand, schon gar kein Amerikaner, so
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