Taeter wie wir
immer eine Runde nach der anderen, es scheint jetzt hundert Jahre her zu sein, es ist fast, als hätte man das nur geträumt. Aber wir fuhren die ganze Zeit herum und dann hielten wir mal an, standen zusammen und redeten miteinander, ärgerten uns und grinsten, schickten den Mädchen irgendwelche SMS. Die Leute fanden uns verdammt nervig, wenn jemand mit uns redete, dann ging es die ganze Zeitnur darum, dass wir da nicht stehen sollten. Oder dass wir den Bürgersteig versperrten. Wir waren immer nur im Weg. Und wenn wir nach Hause kamen, dann übernahmen unsere Eltern, dann störten die Schuhe im Eingang, das Moped auf der Einfahrt, die Hausaufgaben waren nicht gemacht worden, man kam zu spät, man hielt sich nicht an die Abmachungen, man hatte irgendwas vergessen, man schlief bis in die Puppen, irgendetwas war immer verkehrt. Gemecker, beleidigte Blicke und so. Aber daran gewöhnte man sich.
Die Mädchen hatten immer irgendwelche Sachen laufen, mal waren Storch und Ditte die dicksten Freundinnen, dann redeten sie plötzlich nicht mehr miteinander, wahrscheinlich, weil Storch etwas weitererzählt hatte, was Ditte ihr im Vertrauen gesagt hatte. Und dann war da irgendetwas zwischen Louise Vest und Louise Wiedemann. Sie waren eigentlich auch beste Freundinnen und fingen an, zusammen zum Handball zu gehen, aber dann kam Louise Vest in die erste Mannschaft. Und Louise Wiedemann war nur in der zweiten, und das war nicht in Ordnung. Dann stimmte etwas zwischen Hinken und Miriam nicht, die eine war sauer darüber, dass die andere sauer war. Merete war wohl nie die beste Freundin von einer anderen, sie war nie mehr als so eine Nummer zwei oderdrei, sie kam nur richtig zum Zuge, wenn die anderen sich zerstritten hatten. Und hinterher war sie wieder draußen. Merete.
Bei uns passierte nicht so viel in der Art. Einmal fingen Niko und Wilam an, sich ernsthaft zu prügeln, besoffen natürlich, wenn so einiges an Kartonwein oder Wodka oder was wir gerade hatten, gesoffen worden war, dann ging es schon mal los, man schrie mehr herum, man heulte mehr, man schimpfte mehr, alles wurde mehr und lauter. Bogense fing an zu strippen, wenn er blau genug war, dann schmiss er zu irgendwelcher Musik seine Klamotten von sich, garantiert. Im Großen und Ganzen tranken wir so ziemlich alles. Und rauchten alles. Und snifften, wenn wir es uns ausnahmsweise mal leisten konnten.
Manchmal wurden wir ganz scharf aufeinander, dann umarmten wir uns, und wir küssten uns sogar ab und zu, zwar nicht mit der Zunge, aber trotzdem. Wir küssten und umarmten uns und sagten, dass wir uns liebten. Vielleicht sogar auch mit der Zunge, wenn wir besoffen und aufgedreht genug waren.
»Oh Scheiße, wie ich dich liebe!«, sagten wir.
»Ich liebe dich auch, du Schwanz!«
»Nicht so sehr, wie ich dich liebe, du kleiner Drecksack! Du Scheißhaufen! Du Arschloch!«
Und so etwas in der Art.
Aber wir schubsten uns auch, klauten einander die Mützen und gossen Bier auf den Sattel des anderen, und wir probierten aus, wer wen umwerfen konnte, und manchmal wurde etwas zu hart geschubst oder jemand stieß einen zu heftig um, dann wurde schon mal einer stinksauer und schubste noch kräftiger zurück. Wilam und Niko prügelten sich einmal ganz heftig vor der Schule, beim Frühlingsfest, wir waren draußen beim Spielplatz, um etwas zu trinken, bevor wir wieder in die Turnhalle gehen wollten, man musste sich ja versorgen, damit man nicht die ganze Zeit auf dem Trockenen saß, aber dabei riskierte man, dass andere in den Büschen herumsuchten und die Tüten mit dem Schnaps fanden und sie klauten, deshalb war es am besten, alles auf einmal zu trinken.
Und dann fingen Niko und Wilam an, sich zu prügeln, schon ernster. Wir fanden nicht heraus, worum es eigentlich ging, vielleicht ging es auch um gar nichts, aber Niko war groß und konnte zuschlagen und das konnte Wilam verdammt noch mal nicht. Wilam blutete sofort aus der Nase und Niko wollte ihn fertigmachen, wir mussten ihn zurückhalten, warfen uns dazwischen und sagten, sie sollten aufhören. Schluss jetzt.
»Ich mache dich fertig!«, grölte Wilam.
»Komm doch«, sagte Niko, er war noch nicht einmal außer Atem.
»Du Scheißpimmel, ich mache dich fertig!«, Wilam war vollkommen außer sich, heulte und blutete und schrie.
»Komm doch«, sagte Niko die ganze Zeit. »Komm doch.«
Wir zogen sie in verschiedene Richtungen, konnten Wilam beruhigen und taten so, als wäre das ein ehrlicher Kampf gewesen, und damit Schluss.
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