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Täuscher

Täuscher

Titel: Täuscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Maria Schenkel
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»Danke.«
    »Passt schon. Wie geht’s dem Hubert? Hab ihn schon ganz lange nicht mehr gesehen.«
    Erika erschrak, die Mutter hatte ihr eingeschärft, sie solle mit niemanden über den Hubert sprechen. Nicht darüber, wie viel Kummer und Sorgen er dem Vater und der Mutter machte. Aber der freundliche Herr fragte nun nach dem Hubert. Und er hatte ihr diese guten Bonbons geschenkt, die außen nach Himbeeren und innen nach Brause schmeckten. Die ganze Tüte hatte er ihr gegeben.
    »Nicht so gut, aber ich darf nichts sagen«, antwortete Erika leise.
    »Warum? Was ist denn passiert? Ist er krank, der Hubert?«
    Erika überlegte kurz, dann erzählte sie dem Freund vom Hubert, was sie wusste. Die Mutter weinte den ganzen Tag, weil doch der Hubert so was Schlimmes gemacht hatte. Und der Vater, der kam gar nicht mehr aus der Fabrik heraus, wegen der Schande und dem Ganzen. Zu Hause erzählt hatten sie ihr nichts, aber gestern in der Schule, da hatten die anderen Kinder gesagt, dass ihr Bruder, der Hubert, die Ganslmeier umgebracht hat.
    »Die Gurgel hat er ihr durchgeschnitten!«, hatte der Müller Ernstl gerufen.
    Und wie sie ihnen gesagt hat, dass das eine hundsgemeine Lüge ist, da haben sie mit der Hand so getan, als würden sie ihr auch die Gurgel durchschneiden. Da hat sie zum Weinen angefangen, weil die Kinder in der Schule so garstig zu ihr waren. Heute hatte die Mutter sie dann nicht in die Schule gehen lassen. Sie hatte sich heimlich aus dem Haus geschlichen, um wenigstens mit ihrem neuen Ball spielen zu können. Den hatte ihr der Vater erst gestern geschenkt, weil sie doch so traurig gewesen war, wegen den anderen Kindern in der Klasse.
    »Und mochtest du denn die Clara?«
    Erika schaute den Fremden ganz lange an, dann sagte sie: »Die Ganslmeier tut mir nicht leid, die hab ich nie leiden können. Das hab ich dem Hubert auch einmal gesagt, dass sie ein alter Scherben ist, genau das hab ich ihm gesagt, und dann hat er mir eine Schellen gegeben. Die Mutter hat ihn dafür ausgeschimpft, weil man seine kleine Schwester doch nicht schlägt. Aber er hat später, wie es die Mutter nicht hören konnte, zu mir gesagt, dass ich ein kleines neugieriges Luder bin, und wenn ich ihm weiter nachspioniere, dann würd ich schon sehen, was mit mir passiert.«
    Und dann hatte er eine schlimme Grimasse geschnitten, und sie hatte Angst vor ihm bekommen und sich den ganzen Tag nicht aus dem Zimmer herausgetraut. Auch vor dem Freund vom Hubert, dem Luck, hatte sie Angst, der war zwar nur ein-, zweimal da gewesen, aber der hatte so böse Augen, und davor hatte sie sich so gefürchtet, dass sie in der Nacht sogar davon geträumt hatte.
    »Ich hab auch einen großen Bruder, der hat auch nicht gewollt, dass ich ihm nachspioniere, aber ich hab es trotzdem gemacht. Ich hab mich in sein Zimmer reingeschlichen und überall nachg’schaut. Damit der es nicht gesehen hat, hab ich mir genau gemerkt, wie alles dagestanden ist, und es wieder genau so an den Platz gestellt. Der ist mir nie draufgekommen. Wie steht es da mit dir? Schaust du auch immer nach?«
    Der Fremde zwinkerte Erika zu.
    »Ja, manchmal schon, dann schleiche ich mich in das Zimmer vom Hubert, aber die Mama und der Hubert dürfen das nicht wissen.«
    »Und hast schon mal was gefunden? Einen Schatz vielleicht? Oder Schmuck, den er seinem Gspusi schenken wollt?«
    »Nein, einen Schatz hab ich nie gefunden, und Schmuck kann der Hubert gar nicht kaufen. Die Eltern geben ihm kein Geld mehr, weil er doch alles gleich zum Fenster hinauswirft, sagt der Vater. Aber Heftchen hab ich gefunden mit ganz vielen Detektivgeschichten drin. Die liegen alle in der Kiste unter seinem Bett.«
    »Wann hast denn das letzte Mal nachg’schaut, vielleicht hat der Hubert was versteckt, ehe ihn die Polizei abgeholt hat?«
    »Die Polizei hat den Hubert nicht bei uns abgeholt.«
    »Ja, aber wo war er denn dann, der Hubert?«
    »In München war er. Den Vater hätte der Schlag getroffen, hat die Mutter gesagt, wenn sie den Hubert bei uns verhaftet hätten. Die Schande hätte er nicht überlebt.«
    »Ist er denn nicht mehr nach Hause gekommen? Du weißt doch mehr, oder? So ein g’scheites Mädchen, wie du eins bist.«
    Erika hielt sich den Zeigefinger vor den Mund. »Das darf aber die Mama nicht wissen.«
    »Wann hast du denn den Hubert zuletzt gesehen?«
    »Das war am Donnerstag beim Abendessen, da hat er mich noch ausgeschimpft, weil mir der Knödel in die Soße gefallen ist und überall Spritzer waren. Auf dem

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