Täuscher
Staatsanwalt Dr. Fersch zu Wort, »das glaubt Ihnen doch kein Mensch! Sie wollen in dem engen Flur an dem Unbekannten vorbeigegangen sein, ohne ihn zu sehen? Das ist blanker Humbug.«
»Ich habe den Unbekannten nicht zu Gesicht bekommen. Er war in der Kammer, als mich die Clara zur Tür begleitete. Mir kam es vor, als wollte sie ihn vor mir verbergen. Eine Begegnung war nicht möglich, selbst wenn ich sie gewollt hätte.«
Darauf der Richter: »Kam Ihnen das Verhalten der Verstorbenen nicht seltsam vor? Haben Sie sie nicht zur Rede gestellt?«
»Nein, warum? Clara war ein freier Mensch, sie konnte tun und lassen, was sie wollte.«
»Aber hören Sie mal, Herr Täuscher! Ihre Verlobte empfängt fremde Herren, und es ist ihnen völlig gleichgültig? Sie möchten nicht wissen, wer der Besucher ist?«
»Unsere Beziehung war anders. Ich kann nur noch einmal sagen, sie war ein freier Mensch – wie hätte ich ihr da dreinreden können?«
»Und wir sollen Ihnen das jetzt so glauben? Finden Sie dieses Verhalten bei Verlobten, also künftigen Eheleuten, normal?«
»Es gibt für mich nichts weiter hinzuzufügen.«
»Gut, das führt zu nichts, lassen wir das mal so stehen. Reden wir über den Schmuck, unter anderem die grünen Smaragdohrringe, die ohne jeden Zweifel Clara Ganslmeier gehörten. Wie sind Sie in den Besitz dieser Gegenstände gekommen? Können Sie uns das erklären?«
»Die Clara hat mir die Sachen in die Überziehertasche gesteckt.«
»Aber das kann doch nicht sein! Als Clara Ganslmeier gegen fünf Uhr beim Metzger Rötzer für das Abendessen etwas Aufschnitt holte, hat sie ihre wertvollen Ohrringe und die Brillantringe noch getragen, genau die, die sie Ihnen schon vorher in die Tasche gesteckt haben soll. Das hat die Metzgermeistersgattin Rötzer so zu Protokoll gegeben. Denn nach Ihrer Erklärung waren Sie ja nur kurz in der Wohnung und sind bereits gegen halb fünf wieder fort gewesen. Das müssen Sie mir erklären. Für mich passt das Ganze nicht zusammen. Allein vom zeitlichen Ablauf her ist es nicht möglich. Wie sind Sie wirklich zu diesen Schmucksachen gekommen?«
»Sie wird die Duplikate getragen haben.«
»Welche Duplikate?«
»Sie hatte die Ohrringe zweimal, einmal echt und einmal falsch.«
»Jetzt wird es abstrus. Warum sollte sie ein und dasselbe Schmuckstück in zweifacher Ausführung haben?«
»Die beiden Ohrringe gleichen sich wie ein Ei dem anderen. Das Duplikat hat Clara vor Jahren auf dem Volksfest erstanden, nachdem sie die echten Ohrringe verloren geglaubt hatte. Sie wollte nicht, dass ihr Vater, von dem sie die Ohrringe als Geschenk erhalten hatte, es bemerkt. So hat sie sich das Doublé gekauft.«
»Und auf der Bartlmä Dult bekommt man falschen Schmuck, der vom echten nicht zu unterscheiden ist. Jetzt machen Sie sich aber schon zum Narren.«
Aus dem Zuschauerraum hört man verhaltenes Lachen.
»Wie Sie sehen, Herr Täuscher, glaubt Ihnen hier im Saal keiner die Geschichte. Wollen Sie uns nicht doch lieber die Wahrheit erzählen?«
»Ich sag die Wahrheit, aber bald sag ich gar nichts mehr, wenn sich das Publikum weiter so feindlich mir gegenüber verhält«, ruft Täuscher trotzig in den Saal.
»Ich verweigere die Aussage, ich werde erst wieder eine Erklärung abgeben, wenn ich es für nötig erachte!«
Täuschers Verteidiger Dr. Klar meldet sich zu Wort. »Sehr geehrter Herr Vorsitzender, ich möchte kurz mit meinem Mandanten sprechen.«
»Ich denke, das ist sinnvoll, Herr Kollege. Ihr Mandant redet sich um Kopf und Kragen.«
Trotz des Zuredens von Seiten seines Verteidigers verweigert Hubert Täuscher jede weitere Aussage. Nur die Frage, ob er die Mordtat verübt hat, beantwortet er mit einem lauten: »Nein!«
»Das Ganze hat jetzt im Augenblick keinen Sinn mehr. Ich unterbreche die Sitzung. Bitte finden Sie sich alle um sechs Uhr wieder zur Vernehmung des zweiten Angeklagten ein.«
Als die Verhandlung nach der Pause fortgesetzt wird, wird Luck Schinder befragt. Dieser, der wegen eines Verbrechens der Personen- und Sachhehlerei angeklagt ist, wegen Diebstahls und Urkundenfälschung mehrfach vorbestraft wurde und zuletzt wegen Meuterei fünf Monate im Gefängnis einsaß, macht vorsichtig abwägende Angaben von zweifelhafter Wahrheit. Im Verlauf seiner Aussage verwickelt er sich in Widersprüche, und die anfangs zur Schau gestellte Selbstsicherheit bekommt tiefe Risse. Er gibt an, er könne sich nicht mehr erinnern, wann und wo er in den Tagen vor der Tat mit
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