Täuscher
Tischtuch, sogar auf seiner Krawatte waren welche. Wenn die Mutter nicht da gewesen wäre, hätte er mir bestimmt eine runtergehauen, so grantig war er. Aber die Mutter, die hat ihm die Spritzer dann rausgewaschen.«
»Und du bist dir ganz sicher, dass der Hubert nicht mehr daheim war und was versteckt hat? Ein Notizbuch vielleicht?«
Erika schnaufte übertrieben durch. »Bist du dumm! Da brauch ich nicht nachschauen. Weil doch der Hubert gar nicht mehr nach Hause gekommen ist. Wie hätt er denn dann da was verstecken sollen?«
Auf der anderen Seite des Platzes ging die Haustür auf, plötzlich stand die Mutter auf der Türschwelle und sah sich suchend um. Erika sprang auf. »Ich muss jetzt gehen, die Mutter sucht mich. Und recht schönen Dank für die Guatln.«
Den Ball unter dem einen Arm und die Tüte mit den Bonbons in der Hand, lief sie über den Platz auf das Haus zu.
Als die Mutter sie fragte, warum sie, ohne ihr etwas zu sagen, aus dem Haus fort sei und mit wem sie gesprochen habe, zuckte Erika nur mit der Schulter.
»Den Namen hab ich vergessen, er hat gesagt, er war mit dem Hubert in der Schule.«
»Erika, ich hab dir gesagt, dass ich nicht will, dass du draußen spielst, und mit Fremden darf man nicht mit.«
»Ich bin doch gar nicht mit, Mama. Wir haben nur geredet.«
»Trotzdem, ich will das nicht, hast mich verstanden! Was wollte der denn von dir?«
»Ausgefragt hat er mich, wegen dem Hubert, aber ich hab nichts gesagt. Die Guatln hat er mir geschenkt, und ganz komische Schuhe hat er angehabt.«
Dann ging sie hinauf in ihr Zimmer.
Dienstag, 11 . Juli 1922 ,
Volksgericht Landshut,
zweiter Verhandlungstag,
10 Uhr vormittags
Der Sitzungssaal ist wie am ersten Verhandlungstag bis auf den letzten Platz gefüllt, auch heute betritt Täuscher den Raum vor Schinder. Elegant gekleidet, als ginge er in die Oper. Er sitzt da mit verschränkten Armen, die Beine überkreuzt, verstockt. Nur die hektischen roten Flecken im Gesicht verraten seine Anspannung.
Schinder hingegen lacht und scherzt wie am vorangegangenen Tag. Er winkt den Zuschauern zu. Gibt sich sehr entspannt.
Dr. Kammerer eröffnet die Verhandlung.
»Herr Täuscher, ich möchte von Ihnen noch einmal wissen, wie das war mit den Ohrringen.«
»Das habe ich gestern schon gesagt.«
»Ich würde es aber gerne noch einmal von Ihnen hören. Die Verstorbene Clara Ganslmeier soll Ihnen demnach den Schmuck in die Tasche des Überziehers gesteckt haben.«
»Ja.«
»Und wann haben Sie das bemerkt? Können Sie sich daran erinnern?«
»Wie ich in die Tasche gelangt habe, um meine Handschuhe herauszuholen.«
»Waren Sie da nicht überrascht – über ein so nobles Geschenk? Ich meine, einem Herrn steckt man doch nicht jeden Tag ein Paar Smaragdohrringe in die Tasche.«
Täuscher antwortet nicht.
»Lassen Sie mich anders fragen. Sie haben gesagt, Sie hätten es bemerkt, als Sie die Handschuhe aus der Tasche holen wollten. Wann war das? In der Wohnung oder später?«
»Unten auf der Straße.«
»Und warum sind Sie dann nicht wieder hoch und haben den Schmuck zurückgebracht? Sie müssen doch überrascht gewesen sein.«
Der Angeklagte zuckt mit den Schultern. »Weiß nicht.«
»Wissen Sie, Herr Täuscher, das Seltsame ist nur, Clara Ganslmeier hat die Ohringe später noch getragen, wie wir von einer Zeugin wissen, und die Geschichte mit dem doppelten Paar, die glaubt Ihnen nun wirklich niemand, vor allem auch deshalb nicht, weil kein weiteres Paar Smaragdohrringe gefunden wurde. Weder in der Wohnung noch bei den anderen geraubten Schmuckstücken. Es ist auch gar nicht möglich, es gibt nämlich nur ein Paar.«
»Vielleicht hat die Zeugin sich geirrt, und Clara hat andere Ohrringe getragen.«
»Das wird sich leicht feststellen lassen, denn die Zeugin wird heute noch befragt werden. Mir wäre es jedoch lieber, Herr Täuscher, wenn Sie mir jetzt dazu alles sagen würden. Es wäre besser in Ihrer Situation.«
»Ich habe Ihnen alles gesagt, die Clara hat mir öfters was in den Mantel gesteckt. Sie war sehr großzügig.«
»Wollen Sie jetzt sagen, sie hat Ihnen nach und nach den gesamten Schmuck in die Tasche des Überziehers gesteckt? Das ist aber sehr abenteuerlich.«
»Nein, nur die Ohrringe hat sie mir zugesteckt.«
»Herr Täuscher, es geht hier um Raub und Mord, ist Ihnen das klar?«
»Ich möchte dazu nichts mehr sagen.«
»Aber diese beiden Dinge hängen zusammen, Herr Täuscher.«
»Die Clara war am Leben, wie ich gegangen
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