Täuscher
zugegeben?«
»Gestanden hat er bis jetzt noch nicht, aber der Fersch meint, das ist nur eine Frage der Zeit. Früher oder später fällt einer von den beiden um und macht den Mund auf. Den Täuscher haben s’ schon vor einer Woche nach Deggendorf zur medizinischen Untersuchung gebracht, dort soll ein Gutachten erstellt werden, ob er auch wirklich zurechnungsfähig ist.«
»Was glaubst du?«
Erna Huther ging mit der gefüllten Teekanne hinüber zum Tisch. Ihr Mann zuckte mit den Achseln.
»Ich hab noch nicht mit ihm geredet, und dabei war ich auch nicht, wie sie ihn hingebracht haben. Der Weinbeck hat ihn begleitet. Der hat auch gemeint, dass er ein rechter Spinner ist. Aber weißt, Erna, auch ein spinnerter Mensch weiß, was richtig und was falsch ist.«
Johann Huther schob den Teller beiseite.
»Sei mir nicht bös, ich hab keinen Appetit.«
»Ist schon recht, aber den Tee musst trinken.«
Sie rückte sich den Stuhl zurecht und setzte sich.
»Magst vielleicht einen Zwieback oder eine trockene Semmel? Das tut deinem Magen gut, denn ein bisserl was musst schon essen.«
Sie nahm seine Hand und hielt sie in der ihren. Huther saß da und sagte nach einer ganzen Weile: »Ich hab kein gutes Gefühl, Erna. Überhaupt kein gutes Gefühl.«
»Ich seh’s dir an.«
»Das ist mir alles zu einfach. Der Täuscher geht hin, bringt die beiden Frauen um und nimmt den ganzen Schmuck mit. Das alles macht er so offensichtlich, dass wirklich keiner in der ganzen Stadt daran zweifelt, dass er der Täter ist. Ganz so, als würde er ein großes Schild vor sich hertragen, wo draufsteht: ›Ich war’s!‹ Der hätte doch wissen müssen, dass er der Erste ist, der in Verdacht kommt. Selbst wenn er ein Spinner ist, so dumm kann doch keiner sein, oder? Der Fersch hat die Sache mit der Unterschlagung ausgegraben, und die hält er ihm jetzt vor. Nach dem Motto, wenn einer schon einmal was angestellt hat, dann macht er es auch ein zweites Mal. Ich habe mir die Akte durchgelesen, und wenn ich ehrlich bin, weiß ich nicht, was damals an dem Ganzen dran war. Ich werde nicht schlau draus, das war ein Dummejungenstreich, da nimmt er dem Vater Geld aus der Kasse, weil der ihn zu kurz gehalten hat – sonst nichts. Dann ist der Verdacht auf einen der Gesellen gefallen, und die Geschichte hat ihren Lauf genommen.
Und die Sache jetzt … sein Kompagnon, der Schinder, das reinste Unschuldslamm, dabei hat der ein Strafregister, länger als mein Ellbogen. Dann ist da noch der Geselle, der Luft – den der alte Täuscher damals im Verdacht hatte, eh rauskam, dass der Junge es war. Erst spannt ihm der Täuscher das Madl aus, dann dupft er ihn mit der Unterschlagung rein, und zuletzt kann der Luft zuschauen, wie das arme Mädel gegen die Ganslmeier ausgetauscht wird. Und zu allem Überfluss wickelt der Hubert die Schwankl selbst dann noch um den Finger, als die Verlobung mit der Ganslmeier schon fast offiziell ist. Da gehen so einem Jungspund schon mal die Gäule durch. Der große Unbekannte, der verheiratete Geliebte von der Ganslmeier, der durch viele Aussagen spukt … Ein Phantom ist das! Jeder ratscht da herum, aber gesehen hat ihn keiner.
Heute haben die Chemiker den Bericht geschickt. Der Blutfleck, den der Wurzer auf der Krawatte vom Täuscher gefunden hat, ist doch bloß ein Bratensoßenfleck. Den Wurzer hättest sehen sollen, wie dem das Gesicht runtergefallen ist, das war an dem ganzen Tag auch schon das Erfreulichste.
Erna, das passt nicht zusammen, das spüre ich. Aber der Staatsanwalt hat Anklage erhoben, und dann kann so ein kleiner Beamter wie ich noch so viele Zweifel haben, das nützt alles nichts.«
»Ich versteh dich, aber du kannst heut nichts mehr ändern. Komm, gehen wir zu Bett, es ist schon gleich neun. Morgen musst wieder zeitig aufstehen.«
Erna Huther hatte für einen kurzen Moment den Eindruck, als wollte ihr Mann noch mehr sagen. Doch der stand auf: »Hast recht, ich bin müde, gehen wir schlafen.«
Landshuter Zeitung
Lokales: Doppelraubmord
Landshut, 13 . April 1922
Gestern wurden hier in Landshut die beiden bedauernswerten Opfer der schaurigen Mordtat, die unsere Stadt in den letztem Tagen in Atem gehalten hatte, beigesetzt. Die Beerdigung von Frau Elsa Ganslmeier und ihrer Tochter Clara fand unter reger Anteilnahme der Bürger unserer Stadt auf dem städtischen Friedhof statt. In einer ergreifenden Grabrede nahm Kooperator Berchtenbreiter von den unter grausamen Umständen Verschiedenen Abschied.
Der
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