Täuscher
Wille, bitte glauben Sie mir, Herr Huther.«
»Ich glaube Ihnen.«
»Als Hubert mit seinem Vater nach Hause gekommen ist, war er nicht mehr ansprechbar, doch schon am nächsten Tag schien er sich wieder gefasst zu haben. Ich habe aufgeatmet.«
»Frau Täuscher, wie war es, als Sie ihn zuletzt hier im Haus gesehen haben? Ist Ihnen da irgendetwas aufgefallen?«
»Nein. Er ist am Morgen nicht heruntergekommen, angeblich hatte er Kopfschmerzen. Im Laufe des späten Vormittags hat er dann das Haus verlassen. Mir ist nichts an ihm aufgefallen, was anders gewesen wäre. Glauben Sie mir, ich hätte ihn sonst nicht gehen lassen.«
»Es ist mir unangenehm, Sie das zu fragen, aber ich muss es leider tun. Halten Sie es für möglich, dass ihr Sohn die Tat begangen hat?«
»Herr Huther, ich kann es Ihnen nicht sagen. Wenn er es getan hat, dann wusste er in diesem Augenblick nicht, was er tat, denn wäre er im vollen Besitz seiner geistigen Kräfte, wäre er nicht dazu in der Lage. Ich kenne ihn, er ist kein schlechter Mensch.«
»Sie sprachen von der Angst ihres Sohnes, können Sie mir diesen Zustand näher beschreiben?«
»Er hatte diese Anfälle von Zeit zu Zeit. Ich bin bisher nicht dahintergekommen, wodurch sie ausgelöst werden. Er ist dann völlig neben sich, zu keinem klaren Gedanken mehr fähig. Es dauert Stunden, manchmal Tage, bis er sich wieder beruhigt hat. Er spricht dann oft wirr, fühlt sich verfolgt oder bedroht. Der Arzt hat keine Erklärung dafür, und ich selbst weiß nicht, ob die Furcht berechtigt oder nur eingebildet ist. Aber für Hubert selbst scheint sie wahr zu sein.«
»Könnte es sein, dass noch jemand in den Fall verwickelt ist und Hubert vor dieser Person Angst hat?«
Maria Täuscher schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht, ich kann es Ihnen nicht sagen.«
»Ist Ihnen noch etwas aufgefallen, auch wenn es nur eine Kleinigkeit ist? Selbst wenn es den Anschein hat, nichts mit der Sache zu tun zu haben?«
»Es tut mir leid, aber mir kommt da nichts in den Sinn.«
»Lassen Sie sich Zeit, Frau Täuscher, denken Sie noch einmal in Ruhe nach.«
»Solange der Hubert noch hier war, ist mir wirklich nichts aufgefallen. Seltsam war nur …«
»Was war seltsam, Frau Täuscher?«
»Der Mann, es war ein Mann hier. Er hat meine Tochter Erika ausgefragt.«
»Wissen Sie, was er von ihr wollte und wann es war?«
»Aus der Erika war nicht viel herauszukriegen, nur, dass der Mann alles über den Hubert wissen wollte. Angeblich wäre er mit ihm zur Schule gegangen. Aber ich kann mir das nicht vorstellen, ich kenne seine Mitschüler.«
»Was wissen Sie noch darüber, wie sah der Mann aus?«
»Ich habe ihn nur kurz gesehen. Er hat der Erika eine Tüte Bonbons geschenkt … warten Sie, und sie hat gesagt, er hätte seltsame Schuhe angehabt. Mehr weiß ich wirklich nicht.«
Als Johann Huther wenig später wieder im Präsidium war, wurde er vor seinem Büro von seinem Kollegen Wurzer aufgehalten.
»Herr Huther, gut, dass ich Sie sehe. Der Dr. Fersch war gerade höchstpersönlich da und hat sich alle Unterlagen zum Fall Ganslmeier geben lassen. Ich habe ihm gesagt, Sie sind gerade noch bei der Frau Täuscher. Ich soll Ihnen ausrichten, er möchte das Protokoll so schnell als möglich.«
»Warum so eilig?« Johann Huther öffnete die Tür, zog seinen Mantel aus und hängte ihn an die Garderobe. Dann zog er die Ärmel seines Jackett zurecht.
Wurzer folgte ihm. »Ich glaube, jetzt haben sie ihn?«
»Wen haben s’? Den großen Unbekannten, den Geliebten der Ganslmeier?«
»Na, den Täuscher!«
»Hat er gestanden?«
»Das nicht, aber der Dr. Fersch erhebt Anklage, und es geht vors Volksgericht.«
»Warum vors Volksgericht?« Johann Huther ging hinüber zu seinem Schreibtisch. Josef Wurzer ging mit ihm. »Na, wegen der besonderen Schwere und Abscheulichkeit der Tat.«
»Ja, aber die können doch nicht vors Volksgericht damit gehen. Der Fall ist doch noch gar nicht abgeschlossen! Haben Sie das dem Dr. Fersch nicht gesagt? Wir sind doch noch mittendrin in der Untersuchung.«
»Ich weiß auch nicht mehr und kann nur das wiedergeben, was mir von oben angeordnet wurde.«
»Wurzer, haben Sie nicht erwähnt, dass wir noch nicht einmal alle Unterlagen und Untersuchungsergebnisse beieinanderhaben? Wir können die Arbeit jetzt nicht einfach unterbrechen, da hat der Junge doch keine Chance mehr. Und einige Indizien gibt es noch, die wir verfolgen müssen. Haben Sie das nicht gesagt?«
»Hab ich,
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