Täuscher
den, fürchten zu müssen, erkannt zu werden? Und der, den sie mit Sicherheit kannte, der Verlobte ihrer Tochter Clara, der sitzt heute hier auf der Anklagebank.«
Dr. Fersch deutet auf Hubert Täuscher. Ein Raunen im Saal, dann fährt der Staatsanwalt fort:
»Aufgrund der zahlreichen Zeugenaussagen steht fest, dass Täuscher am Donnerstag, dem 30 . März, in der Wohnung der ermordeten Ganslmeier war. Über sechzig Zeugen waren geladen, mehr als je zuvor an diesem Gericht. Dutzende davon haben bestätigt, dass er Luck Schinder kurz nach der Tat getroffen hat. Der Angeklagte kann dies nicht in Abrede stellen, und es ist auch einer der wenigen Punkte, die er hier nicht bestritten hat. Ich sage Ihnen, Hohes Gericht, daran müssen wir uns halten.
Nicht nur, dass ihn Clara Ganslmeier arglos jederzeit hereingebeten hätte, nein, er gehörte auch zu jenem kleinen Kreis, der um den wertvollen Schmuck der Ermordeten wusste. Er kannte sich wie kaum ein anderer in der Wohnung aus, war er als Verlobter doch Vertrauter und häufig und gern gesehener Gast.
Auf ihn alleine verweisen alle Spuren, er ist der Schlüssel zu diesem Verbrechen. Mit süßen Worten der Liebe auf den Lippen stieß er der Ahnungslosen das Mordinstrument in den Hals. Maßlose Genusssucht, die Befriedigung niederer Leidenschaften waren die Triebfedern, die den Angeklagten zu diesem Verbrechen antrieben. Wenn er auch noch so sehr die Liebe schwor, ist bei der Charakterlosigkeit des Angeklagten nicht anzunehmen, dass dieser ihr je die Treue gehalten hätte. Für Hubert Täuscher gab und gibt es nur einen Einzigen, den er bedingungslos liebt, zu dem er hält, und das ist er selbst! Er ist ein Narziss! Aber auch für einen wie ihn kam der Augenblick, die Stunde, in der sich sein Gewissen regte und die Schuld sich wie eine Zentnerlast auf sein Herz legte, im Traume sah er sich verfolgt von den schwarzen Geistern, die er zuvor gerufen hatte. Als er sich mit seiner heimlichen Geliebten, einem aufrichtigen und ehrlichen Mädchen, keine zwei Tage nach der Tat die Bettstatt teilte, schrie er laut auf, und die innere Unruhe verließ ihn nicht. Doch es ist nicht das Schicksal seiner Opfer, das ihm so zu Herzen geht! Nein, es ist die Angst, für diese Tat geradestehen zu müssen, die ihn in Panik versetzt. Ein verlogener, wurmstichiger Mensch, tief in den Sumpf geraten ist der Angeklagte, und doch wollte er noch glänzend den Saal verlassen. Täuscher hat sich selbst weiter in die eigene Tasche gelogen, als doch alles längst verloren war. Vorsätzlich und mit voller Überlegung ist der Mord begangen worden, mit Rohheit und Brutalität, wie sie ihresgleichen sucht. Als Staatsanwalt erfülle ich eine Forderung der Gerechtigkeit und einen Dienst an der Allgemeinheit, wenn ich beantrage, Hubert Täuscher des Raubmordes in beiden Fällen schuldig zu sprechen.«
Über den Mitangeklagten Schinder sagt Dr. Fersch: »Ihm ist leider eine Beteiligung nicht nachzuweisen, wenn auch der Verdacht besteht, dass er in die Tat doch weit mehr verwickelt ist als im Augenblick ersichtlich. Er hat sich mit Täuscher nach der Tat getroffen, das wurde hier vor Gericht bewiesen und auch von den Angeklagten nie in Abrede gestellt, aber alles andere ist Spekulation. Uns fehlen die Beweise. Was wir ihm jedoch nachweisen können, ist der Tatbestand der Hehlerei. Er hat sich so am Verbrechen des Raubes beteiligt und sich schuldig gemacht. Ich fordere deshalb eine Gefängnisstrafe nicht unter vier Jahren.«
Nachdem sich der Staatsanwalt wieder gesetzt hat, folgen die Plädoyers der Verteidigung. Für den Hauptangeklagten ergreift Justizrat Dr. Klar als Erster das Wort: »Ich möchte nicht in Abrede stellen, dass der Angeklagte in den Sumpf der sittlichen Verwahrlosung getreten ist. Hubert Täuscher ist zweifellos ein Posseur, ein merkwürdiger Mensch, durch schlimme Gesellschaft haltlos geworden. Doch ist er darum ein Mörder? Er hat mit Sicherheit den Bezug zur Realität verloren. Er kann die Gegenwart, das Jetzt und Heute, nicht mehr von den Produkten seiner Phantasie unterscheiden. Kann er so für eine Tat verantwortlich gemacht werden? Er sagt, er sei ein Anhänger des Films und der bewegten Bilder. Aber was richten diese Bilder in den Köpfen an? Welche Saat wächst aus diesem Samen, wenn er auf den falschen Boden fällt? Das Kino ist ganz gefährlich für unsere Jugend, es spiegelt ihr eine Wirklichkeit vor, die es so nicht gibt. Ein Dasein in Luxus und Müßiggang, ohne Plackerei und
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