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Täuscher

Täuscher

Titel: Täuscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Maria Schenkel
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tretende Gerichtsmediziner geht auf die Tötung der beiden Opfer ein.
    »Clara Ganslmeiers Tod wurde durch die tiefe Schnittverletzung am Hals verursacht. Der Täter muss sich über das Opfer gebeugt, es festgehalten und dann mit großer Wucht den Stich geführt haben. Vielleicht auch erst nach vorheriger Schlagbetäubung. Es muss einen Kampf zwischen dem Mörder und seinem Opfer gegeben haben. Die Wunden an der Hand der Tochter wiesen eindeutig darauf hin. Der Raubmord selbst ist mit großer Überlegung und viel Raffinement ausgeführt worden, daran besteht nicht der geringste Zweifel. Auch stimmt die Vorgehensweise der Tat mit dem Film, den die Angeklagten wenige Tage zuvor gesehen haben, bis ins kleinste Detail überein. Ich habe mich selbst davon überzeugt und mir das abscheuliche Machwerk im Lichtspielhaus angesehen. Der Mord ist eine Kopie der Geschehnisse auf der Leinwand und zeigt an, wie schädlich sich Filme dieser Art auf den Charakter unserer Jugend auswirken.
    Das gleiche Muster gilt für den Tod der Mutter, auch hier diente der Film als Vorlage zur Tat, die Mutter erstickte. Der kranken siebenundsiebzigjährigen Frau Ganslmeier wurde ein Knebel bis tief in den Rachen gerammt, vermutlich mit einem eigens gebogenen Stück Holz oder Ähnlichem. Das entspricht dem Modus Procedendi im Film. Ein zweiter Knebel war im Mund. Der erste Knebel wurde mit großer Gewalt in die Tiefe gestoßen. Diese Vorgehensweise zeugt von großer Rohheit und noch größerem Raffinement. Vor allem aber führt sie eine unglaubliche Kaltblütigkeit vor Augen, eine Abgebrühtheit, die nach den Ausführungen meines Vorredners genau auf eine Persönlichkeit wie den Angeklagten hinweisen würde.«
    Mit dem Vortrag des Gutachters wurde die Beweisaufnahme abgeschlossen, und Dr. Kammerer erklärte die Sitzung für beendet.

Freitag, 14 . April 1922 ,
Landshut, Wohnhaus Täuscher,
Kriminaloberwachtmeister Johann Huther,
11 . 37  Uhr vormittags
    »Ich kann es einfach nicht glauben, dass der Hubert so was getan hat.«
    Johann Huther hatte es für richtiger gefunden, Maria Täuscher nicht auf das Präsidium einzubestellen, stattdessen suchte er sie lieber zu Hause auf. Klein und zerbrechlich sah sie aus, wie sie ihm hier auf dem Sofa gegenübersaß. Sie dauerte ihn, er hätte zu gerne ein paar tröstende Worte für sie finden mögen. Liebte nicht jede Mutter ihr Kind, gleichgültig welchen Verbrechens es sich schuldig gemacht hatte? Vielleicht liebte man die Missratenen sogar noch ein bisschen mehr, weil man spürte, dass sie Hilfe und Beistands dringender benötigen als die anderen, die wohlgeratenen Kinder.
    »Wissen Sie, Herr Huther, ich wusste von der Verlobung meines Sohnes mit dem Fräulein Ganslmeier. Ich würde lügen, wenn ich mir für ihn nicht lieber ein jüngeres Mädel gewünscht hätte, das mehr zu seinem Alter passt. Aber bei seiner Konstitution, da ist es einfach besser, wenn er jemanden hat, der ihm Halt gibt. Die Thea, so gerne ich sie auch habe, sie könnte den Hubert nie auf einen guten Weg bringen. Sie ist jung, sie hat das Leben noch nicht kennengelernt. Liebe alleine genügt da nicht. Aber wie es ausschaut, habe ich mich da fürchterlich geirrt.«
    »Was meinen Sie mit seiner Konstitution, gnädige Frau?«
    Maria Täuscher räusperte sich, dabei hielt sie ihr Spitzentaschentuch vor den Mund, dann ließ sie die Arme kraftlos auf den Schoß fallen, die rechte Hand umschloss weiter das Taschentusch, mit der linken zupfte sie nervös an den aus der Faust herauslugenden Enden.
    »Mein Mann und ich, wir waren schon lange verheiratet, ehe der Hubert auf die Welt kam. Ich bin damals von Arzt zu Arzt gelaufen. Wie er dann endlich da war, haben wir ihn verwöhnt, so gut es nur ging. Wir haben versucht, ihn von allem fernzuhalten, es ihm leicht zu machen im Leben.«
    Sie schoppte das Tuch in den Ärmel ihrer Strickjacke und strich sich den Rock glatt.
    »Vielleicht war es ein Fehler, aber wer weiß, welcher Weg immer der richtige ist. Hubert ist schon als Kind nicht einfach gewesen. Himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt. Seine Stimmungen wechselten wie das Wetter, schneller noch.«
    Maria Täuscher saß kurz still da, dann sprach sie weiter.
    »Als der Krieg begann, wollte er sich freiwillig melden. Wie die meisten seiner Klassenkameraden war er begeistert von der Idee, ins Feld zu ziehen. Nichts könne ihn davon abhalten, seine Pflicht dem Vaterland gegenüber zu erfüllen, sagte er damals. Als wäre der Krieg ein Spiel.

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