Tag, an dem meine Schwester zur Dämonin wurde
sich hoch. Etwas stimmte hier nicht, und endlich wusste sie auch, was.
»Bleib liegen. Lass es langsam angehen.« Seine Hände umfassten ihre Schultern und drängten sie mit mildem Druck zurück auf das Bett.
»Was zum Höllenfürst ist mit dem Waldhonig passiert?« Ihre Stimme leierte. Das Zimmer begann, um sie herum zu schwappen, die Konturen verflossen wie Wasserfarben.
Die Hände ließen von ihr ab, verharrten mitten in der Bewegung. »Bitte – womit?«
»Deine Augenfarbe. Das ist doch nicht normal.« Sie gab der Schwerkraft nach und fiel auf das Kissen. Ihr Körper protestierte gegen die Anstrengung, ihr Puls schnellte in die Höhe, ihr Atem rasselte. Was hatte sie so geschlaucht?
Abbas im Verhörraum und Enya im Nachthemd hinter dem Panzerglas; G.host und seine Rebellen, die hinter der Mordserie steckten; Gaius, der sich dort im Bad in Abbas verwandelte; Scherben, die klirren; eine Frau, die zu Boden fiel; die Flucht in die Tote Stadt.
Alles war nur eine einzige, undefinierbare Suppe aus Bildern.
Sie suchte Gallaghers Blick. Seine Augen lächelten sie an, und erst einige Sekunden später bemerkte sie, dass alles an ihm sie anlächelte: die Lippen, die winzigen Fältchen um die Mundwinkel, die weichen Züge seines Gesichts. So offen und warm hatte sie bis jetzt nur Enya lächeln sehen, wenn ihre Schwester vor ihr einen Teller mit dampfenden Pfannkuchen hinstellte.
»Kontaktlinsen.«
»Ach so, Kontaktlinsen.« Sie bemerkte ihre ausgestreckte Hand, die Finger, die seine Mundwinkel fast berührten. Rasch senkte sie den Arm. »Du musst verrückt sein! Total übergeschnappt. Wenn du dir zu diesem Babyblau mit Kontaktlinsen verhilfst.«
»Zarah, du bist unglaublich. Du wurdest verhaftet und bist ausgebrochen, wurdest mit dem Vampirvirus angesteckt und hast nur knapp überlebt, und jetzt bist du wach, wir sitzen hier und unterhalten uns über meine Augenfarbe?«
»Die Farbe ist grauenvoll. Mal ehrlich, dein Aussehen sorgt für genug Spott im Büro, du brauchst es nicht künstlich auf die Spitze zu treiben.«
»Das Blau ist natürlich. Es ist das Braun, das ich den Kontaktlinsen zu verdanken habe. Und du hast recht, es nennt sich beim Hersteller tatsächlich ›Waldhonig Nr. 3‹ und kann sogar Gefühle spiegeln. Sag mir lieber, wie es dir geht. Spürst du noch Übelkeit?«
»Erzähl nicht, du färbst dir auch die Haare. Was ist das? ›Nachtschwingen Nr. 5‹?«
»Nein.« Er schmunzelte, so ungezwungen und innig, wie es kein Dämon konnte, und zupfte an den Locken, die sich um seine Ohren kringelten. »Einfach nur ›Intensivtönung Schwarz mit Diamantglanz‹.« Er grinste noch breiter, noch frecher, bis sie nichts mehr wahrnahm außer diesem Lächeln, das sie ein klein wenig neckte und über ihre Haut kribbelte. »So viel Eitelkeit darf sein. Dieses Jahr ist Blond bei den Dämonen leider mal wieder nicht zur Trendfarbe geworden. Können wir jetzt aufhören, über mein Aussehen zu sprechen, und endlich feststellen, wie es dir geht? Ist dir noch übel?«
Blond. Blauäugig. Und dazu noch dieses Gesicht. »Übel ist gar kein Ausdruck.« Sie verschluckte sich und musste husten. An ihrem Hals spannte der Druckverband und verursachte einen dumpfen Schmerz. Die Bisswunde. Nicht mehr angeschwollen wie ein Tennisball und prall von Gift.
Noch ein paar Erinnerungsfetzen, die an den richtigen Platz rückten.
Gallagher schob einen Arm unter ihren Nacken, half ihr hoch und nahm ein Glas Wasser vom Nachttisch. Als er das Glas an ihren Mund setzte, berührte sie mit der Unterlippe seinen Daumen. Sie schloss die Augen. Verschluckte sich abermals und musste erneut husten. Er stellte das Glas ab, und schon spürte sie weder die Wärme seiner Haut an ihrer Lippe noch die flüssige Kälte.
»Mehr«, stöhnte sie, hielt inne und schob noch schnell hinterher: »Wasser.«
»Später. Hast du andere Beschwerden? Schmerzen? Wahrnehmungsstörungen? Zum Glück hat der Virus nicht dein Gehirn angegriffen, nur das Blut. Es war verdammt knapp, ist aber noch einmal gut gegangen. Zumindest bist du jetzt wach und bei klarem Verstand.«
Blaue Augen. Dämonen hatten niemals blaue Augen, sie trugen keinen Himmel darin, um die Sehnsucht nach Tageslicht zu wecken. »Wer bist du eigentlich?«
»Okay, der Verstand ist anscheinend doch nicht so klar wie erhofft.« Er neigte den Kopf. Seine rechte Braue zuckte hoch. »Gallagher. Hier werde ich G.host genannt. Sag mir lieber, wo Enya ist. Mit Sicherheit wurde bereits ein Haftbefehl gegen
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