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Tag, an dem meine Schwester zur Dämonin wurde

Tag, an dem meine Schwester zur Dämonin wurde

Titel: Tag, an dem meine Schwester zur Dämonin wurde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O Krouk
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nennen würden. Deshalb haben sie nie meinen Namen benutzt, sondern nur Sohn zu mir gesagt.«
    Sie schluckte. »Und hat der Fluch dich getroffen?«
    »Noch bin ich da und an einem Stück.«
    Ein Mensch. Jetzt trennten sie beide nicht bloß verschiedene Kasten voneinander, sondern seine unsterbliche Seele. Wie sie nie eine haben würde. Aber vielleicht … vielleicht reichte seine für sie beide. Vielleicht konnte sie sich deswegen nie wirklich von ihm lösen. Weil ein Stück von ihm in ihr geblieben war. »Wie ist es, als Mensch bei Dämonen aufzuwachsen?« Wie ist es, ein Mensch zu sein?
    »Keine Ahnung. Ich kenne es nicht anders. Meine – wie soll ich sagen? – Tauscheltern waren eigentlich ganz gut zu mir. Auch wenn ich ihnen meine schiefe Nase zu verdanken habe.«
    »Wie das denn?«
    »Es war zwei Tage vor der Musterung. Mein Tauschvater hatte die Hölle in Bewegung gesetzt, damit ich die Einladung bekam. Eigentlich war er nicht hoch genug gestellt, dass seine Sprösslinge an die Akademie durften. Aber wofür gab es Beziehungen? Am Abend hat er mir das Gesicht zerschlagen. Du kannst dir vielleicht vorstellen, wie ich dann aussah – und bei der Musterung gab es keine Probleme. Ohne die Akademie wären meine Zukunftsaussichten sehr mager gewesen. Ich darf also nicht klagen. Ich meine, sie haben nur zweimal in meinem Leben Hand an mich gelegt. Da habe ich schon ganz andere Geschichten gehört.«
    »Was war beim zweiten Mal?«
    »Sie haben mich erwischt, wie ich mit einem Bleistift Zitate aus alten Menschenromanen auf die Fußbodenleiste unter meinem Bett gekritzelt habe. Verständlich, dass sie bei dem Anblick ausgeflippt sind. Als sie sich endlich abreagiert hatten, hat mein Vater mich beiseitegenommen, den Bleistift geschreddert, die Platte mit den E-Books formatiert und mir das Versprechen abgenommen, dass ich den Dreck nie wieder in die Hände nehmen werde. Nun ja. Zumindest in Bezug auf Bleistifte habe ich eine leichte Neurose entwickelt.«
    »Dabei munkelt man, die Dinger hätten bei dir immer die gleiche Länge, und in Wirklichkeit benutzt du keine.« Mit bebenden Fingern wischte sie sich über die Lider. »Wie ist es dir gelungen, all die Jahre als Dämon durchzugehen? Dazu noch im Ordnungsamt.«
    Er deutete ein Lächeln an.
    Warum lächelte er?
    Ausgerechnet jetzt, ausgerechnet bei dem Thema?
    Ihre Blicke trafen sich, und sie merkte, wie sich das Lächeln auf seinem Gesicht verlor. »Ich bin ein Technik-Fuzzi, schon vergessen? Dass ich überhaupt existiere, nehmen die anderen im Büro erst wahr, wenn sie sich über meine Bleistifte amüsieren. Niemand kommt auf den Gedanken, sich zu fragen, ob er meine dämonische Zwiegestalt jemals gesehen hat. Nicht einmal du. Oder?«
    Nicht einmal ich.
    Sie musste sich erneut über die Lider wischen. »Sogar damals, an der Akademie …« Da waren wir zusammen. »… habe ich keine Gelegenheit ausgelassen, mit anderen über dich zu lästern.«
    »Ich weiß.«
    »Ich habe es verheimlicht, das mit uns.« Und wie ernst es mir war, so ernst, dass …
    Er nickte. »Mach dir keinen Kopf darum, es ist schon lange her.«
    »Niemand wusste von uns.« Außer Ash. Der mir wie immer auf die Schliche gekommen war.
    »Zarah, es ist okay. Ich habe dir damals keine Vorwürfe gemacht und werde auch heute nicht damit anfangen.«
    Warum nicht? Hättest du machen sollen. Weil ich eine Idiotin war, keinen Deut besser als die Meute, immer bereit, einen Stein zu werfen. Sie betrachtete sein Profil. Zum ersten Mal verstörte seine Schönheit sie nicht, zum ersten Mal kam es ihr nicht abartig vor, in diese ebenmäßigen Züge zu blicken und sie anziehend zu finden. Am liebsten hätte sie ihm über die Wange gestrichen, die Haarsträhnen hinter das Ohr geschoben, sein Gesicht neu erkundet.
    Wie konnte ich dich lieben, ohne dich zu kennen, ohne zu wissen, wie du bist und was dich bewegt?
    »Wie … Wie konnte ich dich lieben …«
    Seine Schultern spannten sich an. Er nickte abermals. Stand auf. »Verstehe.«
    »Warte!« Sie richtete sich auf, doch ein Schwindelanfall zwang sie zurück. Das Zimmer drehte sich, das Bett trieb wie auf hoher See. »Warte …«
    An der Tür klopfte es zaghaft. Alessas Kopf schob sich durch den Spalt. »Ghost? Entschuldige die Störung. Oh, Zarah, du bist wach! Ähm, Ghost? Mattes ist da. Er meint, er hätte eine Nachricht für dich. Ich zitiere: Sag ihm, das heilige Geflügel möchte mit ihm reden, er ist aber nicht auffindbar, und damit das klar ist, ich bin kein

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