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Tag der Buße

Titel: Tag der Buße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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widerstand dem Drang, ihm die Krümel von der Krawatte zu wischen. »Zweimal daneben, Mike.« Er sah sich in dem Dienstzimmer um, das ihm immer überfüllt und vorsintflutlich erschienen war. Verkratzte Holz- oder Metallschreibtische, Tische und Stühle billigste Massenprodukte. Nirgends genug Platz, um sich frei zu bewegen. Die Fußböden waren schmuddelig, die Wände mußten dringend gestrichen werden. Es gab einige wenige Computer, doch der größte Teil der Kommunikation nach draußen wurde immer noch über Wählscheibentelefone abgewickelt. Der Raum war im Sommer heiß und im Winter kalt. Die Innentemperatur war nur dank zusätzlicher Ventilatoren oder Heizgeräte erträglich.
    Doch im Vergleich zum 66. Revier in New York wirkte der Raum hochmodern.
    Er zog seinen Stuhl zurück und legte die Füße auf den Schreibtisch, auf dem sich zum ersten Mal seit zig Jahren keine Papiere stapelten.
    Paul MacPherson kicherte. Der schwarze Detective war zur Zeit dem Raubdezernat zugeteilt, und Decker wußte, daß er eigentlich Besseres zu tun hatte, als grinsend herumzusitzen, aber das sollte nicht seine Sorge sein. »Ist was, Paul?« fragte Decker ganz cool.
    »Es ist nicht nett, seine Frau in den Flitterwochen allein zu lassen, Rabbi«, sagte MacPherson. »Oder ist das in eurer Religion so üblich?«
    Decker wollte zunächst gar keine Antwort geben, doch dann beschloß er, Paul eins auszuwischen. »Rina ist übrigens mitgekommen. Kann wohl den Gedanken nicht ertragen, von mir getrennt zu sein.«
    »Wie rührend«, sagte MacPherson.
    »Ich finde, der Mann sieht ganz zufrieden aus«, sagte Hollander.
    »Du willst ja bloß nett sein«, sagte MacPherson.
    »Hey, Rina ist mit ihm gekommen«, sagte Hollander. »Und er hat nichts davon gesagt, daß er die Kinder mitgebracht hat.«
    »Hast du die Kinder mitgebracht?« fragte MacPherson.
    »Nein«, antwortete Decker.
    »Siehst du«, sagte Hollander. »Er hat große Pläne, wenn er nach Hause kommt.«
    »Der Rabbi schmiedet also Pläne«, ließ sich Ed Fordebrand wie ein Echo vernehmen. Er war ein großer bulliger Detective von der Mordkommission, der ständig Mundwasser gebraucht hätte. Er behauptete, daß sein Mundgeruch eine gute Waffe gegen Verbrecher sei, doch Decker vermutete, daß er von Eds Vorliebe für stinkenden Käse kam. »Ein Hoch auf den Mann mit den Plänen.«
    »Na ja, wenn er so große Pläne hat, warum ist er denn dann überhaupt hier?« sagte MacPherson.
    »Hast du’s ihm nicht erzählt?« sagte Decker zu Hollander.
    »Hab ich schon, aber er wollte es mir nicht glauben.«
    »Du erwartest doch wohl nicht, daß ich dir glaube, daß du die Flitterwochen mit deiner reizenden Frau abbrichst, um nach einem Ausreißer zu suchen?« sagte MacPherson.
    So gesehen klang es wirklich ziemlich absurd. »Ich schwör’s bei Gott«, sagte Decker.
    »Du bist ein Arschloch«, sagte MacPherson.
    Decker lachte.
    »Ist der Junge mit Rina verwandt?« fragte Fordebrand.
    »Nein«, sagte Decker. »Ich tu nur Freunden von ihr einen Gefallen.«
    »Das ist aber ein verdammt großer Gefallen«, sagte Fordebrand.
    »Du weißt doch, wie so was läuft«, sagte Decker. »Man bietet an, ein paar Nachforschungen anzustellen, und dann hat man den ganzen Schlamassel am Hals.«
    »Mit Ausreißern ist das immer ein Schlamassel«, sagte Hollander.
    Wie wahr, dachte Decker. Er hätte sich bei der erstbesten Gelegenheit von dem Fall verabschieden und mit Rina und den Kindern nach Florida fliegen sollen – zu seiner richtigen Familie. Warum hatte er das nicht getan?
    Das weißt du doch, Schmock, sagte er sich. Hatte irgendwas mit den Augen einer Großmutter zu tun.
    »Also ich bin jetzt am Gericht«, sagte Fordebrand. »Wenn sich dieser Fall noch länger hinzieht, wird der Obmann der Geschworenen tot umfallen. Ich glaub, der Kerl ist zweiundneunzig oder so.«
    »Warum nehmen die denn so ’nen Alten?« fragte MacPherson.
    »Das Opfer war alt«, sagte Fordebrand. »Die Staatsanwaltschaft hat sich diesen Geschworenen ausgeguckt.« Er fing an zu singen: »Heiho, heiho, wir sind vergnügt und froh.«
    Das falsch gesungene Lied wurde von schrägem Pfeifen begleitet. Als Fordebrand aus dem Zimmer war, sagte MacPherson: »Unser guter Dopey.«
    »Dopey konnte nicht sprechen, Paul«, sagte Decker. »Vielleicht solltest du versuchen, ihm nachzueifern.«
    MacPherson seufzte. »Kann man denn nichts gegen den Atem dieses Mannes machen?«
    Seine Frage wurde mit Schweigen quittiert.
    »Marge sollte jeden Moment hier

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