Tag der Entscheidung
gelächelt. Seine Phantasie versorgte ihn mit ausführlichen Bildern einer von magischen Flammen gerösteten Mara. Doch keine der noch so eindringlichen Vorstellungen von Maras Torturen und Qualen vermochte ihn zu beruhigen. Er mußte den vom Stahl durchbohrten Körper der Frau sehen, die ihn verschmäht hatte, er mußte die Schädel ihrer von anderen Männern gezeugten Kinder zu seinen Füßen liegen sehen, zerbrochen wie Eierschalen. Dann könnte er auf ihren Hirnen herumtrampeln und sich seines Sieges gewiß sein. Und doch: Das Glück einer Guten Dienerin war legendär, mehr als bloßer Aberglaube. Mit Maras Titel war der Segen der Götter verbunden, und den konnte niemand einfach so beiseite schieben. Mehr als einmal hatte Jiro ihre letzte Stunde kommen sehen, nur um dann ihren Triumph zu erleben.
Der Wurm der Unsicherheit nagte weiter an ihm. Unbemerkt verkrampften sich seine Hände wieder um das Pergament. Die brüchige Haut knisterte, und kleine Stückchen des seltenen Goldes lösten sich und blieben an seinen feuchten Händen haften.
»Ihr werdet Euch erst dann sicher fühlen, wenn Ihr auf dem Goldenen Thron sitzt«, faßte Chumaka knapp zusammen. »Wenn die Priester der Zwanzig Höheren Götter sich vor Euren Füßen verneigen und Euer Recht auf die Nachfolge bestätigen, wenn die Massen Euch in ehrerbietiger Pose als ihrem neuen Licht des Himmels zujubeln, dann werden Eure Nerven ihre Anspannung verlieren.«
Jiro hörte die Worte, doch er konnte nicht aufhören, die Straße zur Heiligen Stadt zu beobachten. Innerlich wiederholte er all die logischen Gründe, denen zufolge der Weg zwischen ihm und seinem endgültigen Sieg frei vor ihm lag. Die Versammlung würde ihn nicht hindern, wenn Mara erst einmal tot war. Tatsächlich mußten sie ihn unterstützen, wenn auch nur, um das Chaos abzuwenden, das seit Ichindars Ermordung durch Lojowa den Frieden im Kaiserreich bedrohte. Niemand vermutete Jiro als Drahtzieher der Tat; die Intrige war über Jahre hinweg sorgfältig geplant worden. Es war unmöglich, die Fäden zu ihm zurückzuverfolgen, nicht einmal durch Folter. Da das Amt des Kriegsherrn dem Geschlecht der Omechan versprochen war, würde es ihnen nur schaden, wenn sie die Verschwörung enthüllten. Jiros Gedanken wanderten weiter. Er bedauerte nicht übermäßig, daß die zusammen mit dem Mantel der Anasati übernommene Armee zum Untergang verdammt war, um Maras Krieger festzunageln und den Zorn der Versammlung auf sie zu lenken. Die Krieger würden ehrenvoll sterben, denn ihr Tod half ihrem Lord, sich über alle anderen im Kaiserreich zu erheben. Ihre Geister würden in den Hallen des Roten Gottes mit großem Triumph willkommen geheißen werden, da Jiros Feinde jetzt gezwungen waren, ihn als überlegen anzuerkennen.
Der Lord der Anasati schloß erwartungsvoll die Augen. Als erster würde sich Hoppara von den Xacatecas vor seinem kaiserlichen Thron verbeugen müssen. Dieser marionettenhafte Emporkömmling hatte sich von Beginn an an Maras Rockzipfel gehängt, ohne daß seine Mutter – die sich sonst überall einmischte – etwas unternommen hätte! Obwohl Isasham wegen ihrer Fähigkeit, wie ein Mann zu denken und zu handeln, gerühmt wurde, hatte sie ihren Erstgeborenen niemals ermutigt, einen eigenen Weg zu gehen, wie ein Mann es sollte. Es lag an dieser Witwe und ihrer Marionette, daß so viele Versuche, die Acoma zu demütigen, fehlgeschlagen waren! Jiro schwitzte; er erinnerte sich daran, wie oft Hoppara dem alten Frasai von den Tonmargu den Rücken gestärkt hatte – so sehr, daß der die Interessen des verstorbenen Kaisers über die seiner eigenen Clanbrüder im Clan Ionani gestellt hatte!
Jiros Wut verstärkte sich, als er die Liste an kleinen Beleidigungen durchging. Verzeihen betrachtete er als Schwäche. Er war kein Mann, der vergaß, wenn seine Pläne durchkreuzt worden waren.
Mit einem Stirnrunzeln dachte er darüber nach, welchen Feind er als nächstes demütigen würde. Wenn die Magier sich bei der Bestrafung von Maras Ungehorsamkeit großmütig zeigten, würde möglicherweise auch Hokanu überleben und könnte gezwungen werden, den Boden vor dem Goldenen Thron zu küssen.
Jiro unterdrückte ein Kichern. Die unangezweifelte Oberhoheit, die Mara und die anderen für Ichindar erarbeitet hatten, würde ihm, einem Anasati, als Erbe zufallen! Er würde diese Allmacht bestens nutzen, o ja; er würde den Hohen Rat wieder einsetzen und das Amt des Kriegsherrn, und er würde über alles, auch
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