Tag der Entscheidung
Vorstellungskraft.
Dennoch schienen einige der Schwarzgewandeten nach wie vor nicht beschwichtigt. Der Hohe Priester Chochocans machte ein Schutzzeichen, als Sevean sich an die Cho-ja wandte. »Ihr seid nicht aus diesem Land! Wie könnt Ihr Euch anmaßen, Eure Fähigkeiten zum Schutz der Verurteilten einzusetzen!«
»Wartet.« Alle Blicke richteten sich auf Mara, als sie vortrat und kühn die Autorität in jener neuen Ordnung ergriff, von der sie immer geträumt hatte. Ihre goldgesäumte Schärpe wies sie als Kaiserliche Regentin aus, selbst wenn die Ernennung noch nicht offiziell war. »Ich möchte einen Vorschlag machen.«
Erwartungsvolle Ruhe trat ein, als alle die Lady, die die Gute Dienerin des Kaiserreiches geworden war, anblickten und darauf warteten, was sie zu sagen hatte.
Mara verbannte die eigenen Zweifel tief in ihrem Innern. Trotz ihrer Worte, die das Gegenteil nahelegten, hatten die Chakaha-Magier ihre Kraft verausgabt, als sie den Audienzsaal abgeschirmt hatten. Nach einer langen Ruhepause würden sie wieder in der Lage sein, sie so zu beschützen, wie sie die Schwarzgewandeten glauben ließen. Nicht nur ihre Magie hatte sich im Laufe der Jahrhunderte verbessert, sondern auch ihr Verständnis ihrer Feinde. Die Cho-ja hatten die Wahrheit geschickt manipuliert, indem sie etwas nahelegten, an dessen Existenz Mara keinen Grund zu zweifeln hatte: daß nämlich, wenn der Schwarm zu Hause in Chakaha Verstärkung nach Kentosani schickte, sie ihr Leben lang außerhalb der Reichweite der Versammlung stehen würde.
Doch jetzt war der äußere Schein alles, was sie hatte, um ihre Gegner zu verunsichern. Sie wagte nicht, einen wie auch immer gearteten Test zu provozieren, bei dem sich die Fähigkeiten der Cho-ja-Magier herausstellen würden. Die einzigen Waffen, die sie vor einem fürchterlichen Tod schützen konnten, waren Worte, Irreführung und die Politik des Großen Spiels. Und die Schwarzgewandeten waren keine Narren. Mara riß sich zusammen und antwortete Sevean direkt. »Die Cho-ja-Magier maßen sich gar nichts an, sondern handeln im Auftrag der Gerechtigkeit! Diese Botschafter aus Chakaha sind gekommen, um Verbesserungen gegen die von unseren Ahnen herbeigeführte Unterdrückung anzustreben.«
Motecha ballte eine Faust. »Das ist verboten! Jeder Cho-ja im Kaiserreich, der einen Aufstand unterstützt, verletzt damit seinen Eid! Der Große Vertrag zwischen den Rassen existiert seit Tausenden von Jahren.«
»Seit Tausenden von Jahren der Grausamkeit!« hielt Mara dagegen. »Euer kostbares Verbot! Euer grauenhaftes Verbrechen gegen eine Zivilisation, die nichts weiter getan hat, als sich gegen die habgierige Eroberung ihres Landes zu wehren! Ich bin nach Thuril gereist. Ich habe gesehen, wie die Cho-ja in Chakaha leben. Wer von euch kann das ebenfalls behaupten, Magier?« Das Fehlen der Anrede »Erhabene« entging nur wenigen im Saal. Einigen Lords blieb vor Bewunderung der Mund offenstehen. Die Kaiserlichen Weißen standen starr und aufrecht in Reih und Glied, und Jehilia und Justin hielten sich an den Händen.
Die Priester behielten ihre ernsthafte Förmlichkeit bei, als Mara fortfuhr: »Ich habe die Schönheit der Städte gesehen, die sie aus Magie erschufen, den Frieden dieser großen Kultur. Ich habe gesehen, was unser gepriesenes Kaiserreich den Cho-ja gestohlen hat, und ich bin entschlossen, es ihnen zurückzugeben.«
Hochopepa räusperte sich. »Lady Mara, Ihr hattet Verbündete in der Versammlung – bis jetzt. Doch diese … Obszönität« – er machte eine Geste zu den Cho-ja-Magiern – »wird uns alle einigen.«
»Seid ihr nicht bereits eine Einheit?« gab Mara mit peitschender Stimme sarkastisch zurück. »Ist die Vernichtung meiner Sänfte und meiner engsten Vertrauten nicht ein deutliches Zeichen, daß die Versammlung meine Hinrichtung beschlossen hat?«
Hier verlagerten einige der Erhabenen unruhig ihr Gewicht und blickten beschämt drein, da Tapeks impulsive Tat nicht gerade mit Wohlwollen aufgenommen worden war. Doch auch die Versammlung bestand aus Tsurani: daß einer von ihnen sein Amt beschämt hatte, durfte niemals öffentlich zugegeben werden.
Mara kniff die Augen zusammen. »Und was die Obszönität angeht, ist das ein falscher Angriff. Wieso?« Sie ließ ihre Hand über die geflügelten Wesen neben sich schweifen. »Weil diese sanften Geschöpfe, die keinem von euch etwas Böses wollen, obwohl ihr Volk von euch verfolgt wird, größere Künste beherrschen als ihr
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