Tag der Entscheidung
zur letzten Putzfrau tötete. Seine Entschlossenheit wirkte ansteckend. Schon wenige Stunden danach hatten die Edlen ihre Kriegsrüstungen gegen Seidenroben eingetauscht, und Unterhalter strömten zu den Stadtbeamten, weil sie die Ehre haben wollten, mit Musik und Poesie zum Fest beizutragen. In der ganzen Stadt begannen Feierlichkeiten, als sich verbreitete, daß ein neues Licht des Himmels gewählt worden war und Lady Mara, die Gute Dienerin, das Steuer des Kaiserreichs übernommen hatte.
Sechzehn
Der Kaiserliche Rat
Die Lampen brannten.
In ihrem Licht präsentierte sich die Nacht als ein Kaleidoskop aus Formen und Farben, als die in Seide gekleideten Feiernden in den Straßen tanzten und maskierte Schauspieler fröhliche Unterhaltungen darboten. Der Klang von glänzenden Glocken und Gelächter traten jetzt an die Stellte der dumpf donnernden Belagerungsmaschinen. In einem der prunkvollen Gemächer im Kaiserlichen Palast saß Mara vor einem bemalten Fensterladen. Der Lärm der glücklichen Menschen verschaffte ihr tiefe Befriedigung, doch das leichte Lächeln auf ihren Lippen galt dem kleinen Mädchen, das fest in ihrem Schoß schlief. Die Lady strahlte eine solch tiefe Ruhe aus, daß Hokanu an der Türschwelle zögerte, sie zu stören.
Aber sie hatte schon immer seine Gegenwart spüren können. Obwohl er keinerlei Laut von sich gegeben hatte, schaute Mara auf. Sie begrüßte ihn mit einem Lächeln. »Hokanu.« Alles lag in diesem Gruß, von Zärtlichkeit über tiefe Liebe bis zu dem Schmerz ihrer Trennung, mit der sie während der vergangenen unruhigen Zeiten hatten leben müssen.
Der Lord der Shinzawai trat mit leisen Schritten zu ihr. Er trug Seide, keine Rüstung, und hatte seine mit Nägeln versehenen Kampfsandalen gegen lederbesohlte mit Stoffbändern eingetauscht. Er kniete sich neben seine Frau und streckte Kasuma die Hand hin. Die Kleine grabschte nach einem Finger, ganz und gar glücklich über seine Gegenwart, obwohl sie noch nicht ganz wach war.
»Sie ist so groß geworden!« murmelte Mara. Als sie nach Thuril aufgebrochen war, war Kasuma nicht viel mehr als ein Baby gewesen. Jetzt war sie ein Kleinkind und versuchte sich bereits an den ersten Worten. Die Lady fuhr mit dem Finger über die Brauen ihrer Tochter. »Sie wird die Stirn genauso runzeln wie du«, neckte sie ihren Mann. »Möglicherweise ein Zeichen, daß sie auch deinen Starrsinn geerbt hat.«
Hokanu kicherte. »Den wird sie auch brauchen.«
Mara fiel in sein Gelächter ein. »Bestimmt. Und sie sollte lieber dafür sorgen, daß sie eine scharfe Zunge bekommt, damit sie deinen Cousin Devacai im Zaum halten kann. Vielleicht sollten wir sie für den letzten Schliff zu Isasham von den Xacatecas schicken?«
Hokanu war schweigsam bei diesen Worten. Mara entging diese Stille, so berührt wie sie von den Erinnerungen an Nacoya war, die gereizte Amme, die sie aufgezogen und bei ihren ersten Gehübungen als Herrscherin unterstützt hatte. Dann verschwanden die Gedanken wieder, als Hokanu Kasuma hochhob und sie vorsichtig auf die Schlafmatratze legte. Er streckte die Hand nach seiner Frau aus, um mit ihr das gleiche zu tun.
»Deine Kämpfe haben dich noch nicht genügend erschöpft, wie ich sehe«, sagte Mara, als ihr Mann sich neben sie legte, und sie begann, die Bänder an seinem Gewand zu öffnen. »Den Göttern sei Dank dafür, denn ich habe dich so sehr vermißt. Ich glaube nicht, daß ich noch eine Nacht hätte wachliegen können, ohne zu wissen, ob du lebst oder tot bist, ob unsere Kinder der Politik zum Opfer fallen …« Sie hielt inne und ließ zu, daß Hokanus sanfte Hände die unangenehmen Erinnerungen an die Gefahren wegwischten. Irgendwo in der Stadt schlug ein Tempelgong, und eine lachende Gruppe von Tänzern lief leichtfüßig unter dem Fenster vorbei. Mara machte es sich in der Armbeuge ihres Mannes bequem. »Du kommst von der Kaiserlichen Suite, nehme ich an. Wie macht sich Justin?«
Hokanu unterdrückte ein Lachen, als er seinen Mund in den warmen Haaren seiner Frau vergrub. »Der kleine Barbar«, sagte er, als er wieder sprechen konnte. »Der Junge kam zitternd zu mir, das Gesicht so rot wie sein Haar. Er wollte wissen, ob von ihm erwartet wird, daß er seine ehelichen Pflichten mit Jehilia ausübt. Heute nacht.«
Mara grinste. »Ich hätte daran denken müssen, daß er das fragen würde, bevor irgend jemand sonst Gelegenheit hatte, ihn zu informieren. Er versucht den Zofen unter den Rock zu schauen, seit er alt genug
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