Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tag der Entscheidung

Tag der Entscheidung

Titel: Tag der Entscheidung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond E. Feist
Vom Netzwerk:
abgefressen, sondern nur von den Pfaden der Hirten und der Herden durchschnitten.«
    Bei dieser Bemerkung blickte der Anführer mit vor Verachtung halb gekräuselten Lippen über seine Schulter zurück. In offensichtlichem Widerspruch zu seiner früheren Behauptung, ganz und gar kein Tsurani zu sprechen, sagte er mit gebrochenem Akzent: »Du solltest froh sein, daß du nicht allein durch diese Wiese mußt, tsuranischer Hund. Ohne unsere Hilfe, welchen Pfad ihr betreten könnt, wärt ihr verloren. Auf diesem Boden sind noch immer Fallen vom letzten Mal, als deine Leute unseren Bergen einen Besuch abgestattet haben!«
    Lujan antwortete nachdenklich. »Bedeutet dies, daß Euer Volk noch immer die Befestigungen vom letzten Krieg aufrechterhält?«
    »Aber die Kämpfe endeten vor mehr als zehn Jahren«, warf Saric ein.
    Lujan wandte sich vertraulich an seinen Cousin. »Alte Erinnerungen.« Hinter seinen unbekümmerten Worten lauerte eine Vorahnung. Daß die Thuril ihr Dorf nach so langer Zeit noch mit tödlichen Fallen sicherten, enthüllte einen Groll, der alle Verhandlungsangebote erschweren würde; als Soldat kannte Lujan die Geschichten der Veteranen über die schlechtgeplante Invasion in das Land der Thuril. Für einen Mann war es besser, tot zu sein, als lebendig den rachsüchtigen Frauen der Hochländer überlassen zu werden.
    Er verheimlichte seine Befürchtungen jedoch vor Mara, als sie über die todbringende Wiese getrieben wurden, weiter über eine hölzerne Brücke über einen Wassergraben, der von einem wilden Fluß gespeist wurde. Das Wasser raste über Felszacken und wirbelte in schwarzen Strudeln auf, bildete kleine Teiche, deren Strömung jedoch so stark war, daß niemand sie durchqueren konnte. Als Lujan den Strom nach einer Fluchtmöglichkeit begutachtete, bemerkte das der Anführer der Hochländer.
    Er deutete mit einem Arm, der in einem Handschuh steckte, auf die Felsenbecken. »Viele Tsurani-Krieger sind dort ertrunken! Und noch mehr haben sich das Genick bei dem vergeblichen Versuch gebrochen, eine Hängebrücke zu bauen.« Er zuckte mit den Achseln und grinste wieder. »Eure Kommandeure sind keine dummen Leute, nur starrköpfig. Nach einiger Zeit haben sie Befestigungen angebracht, da« – die Fransen seines Umhangs wippten, als er auf einen Vorsprung bei der heruntergelassenen Brücke deutete – »und da.« Er zeigte auf einen anderen Brocken weiter unten. Dann schaute er zu dem Palisadenzaun empor, als würden noch immer Krieger aus der Vergangenheit ihre Kriegsschreie in die vom Staub graue Luft hinausstoßen. »Es war knapp.«
    Mara hatte ihre Müdigkeit überwunden und folgte der Unterhaltung. »Damals müßt Ihr noch ein ganz kleiner Junge gewesen sein. Wie ist es möglich, daß Ihr Euch daran erinnert?«
    Die lebhafte Erinnerung ließ den Anführer der Hochländer vergessen, daß er einer Frau antwortete. »Ich war auf den Zinnen, um meinen Vater und seine Brüder mit Wasser zu versorgen. Ich half, die Toten und Verwundeten wegzutragen.« Lang genährte Bitterkeit verzog sein Gesicht. »Ich erinnere mich.«
    Er schubste Lujan mit einem kräftigen Stoß vorwärts und führte sie über die Brücke. Das gewaltige Tor nahm ihnen jede Sicht auf den Himmel und die Befestigungen. Der Anführer antwortete einer unsichtbaren Wache und drängte die gefangenen Tsuranis hindurch. Lujan betrachtete die aus Baumstämmen bestehenden Zinnen, die außen bereits geglättet, auf der Innenseite aber noch unbearbeitet waren; Borken und Stummel von Ästen hingen noch an den Stämmen, als ob die Verteidigungsanlagen in großer Eile errichtet worden wären. »Es muß eine heftige Schlacht gewesen sein.«
    Der Anführer lachte. »So heftig auch wieder nicht, Tsurani. Als der dritte Angriff kam, waren wir oben in den Bergen, und eure Soldaten nahmen nur die Palisaden ein. Unsere Anführer sind auch nicht dumm. Wenn eure Leute unbedingt das Dorf wollten, sollten sie es haben. Einen Ort einzunehmen bedeutet nichts; ihn zu halten ist etwas ganz anderes.« Er lächelte verächtlich. »Die Berge hätten wir euch nicht überlassen, Tsurani.« Er wies in einer weit umfassenden Handbewegung auf die Berggipfel, die über dem Palisadenzaun in den Himmel ragten. »Dort ist unsere wahre Heimat. In diesen Tälern bauen wir zwar Häuser und Gebäude, um uns zu versammeln, Handel zu treiben und zu feiern, aber unsere Familien sind in den Bergen groß geworden. Dort sind eure Soldaten gestorben, Tsurani, als wir sie auf

Weitere Kostenlose Bücher