Tag der Entscheidung
schuf mir Vergnügen, weil er dafür sein Leben riskierte.« Ihre Augen glänzten feucht. »Götter, Lady, seht Ihr nicht, was für eine verdrehte Person ich geworden bin? Es gab ganze Monate, in denen ich nur an Selbstmord dachte, nur habe ich mich zu niedrig, zu ehrlos gefühlt, um eine Klinge mit meinem Blut zu beflecken.«
Tsuranischer Stolz, dachte Mara. Sie sehnte sich danach, die Hand auszustrecken und das gequälte Mädchen zu trösten; doch für Kamlio war jede Art von körperlichem Kontakt losgelöst von ihren Gefühlen. Auch wenn ihr bloße Worte kalt erschienen, konnte Mara keinen anderen Trost bieten. »Arakasi versteht dies weit besser, als du denkst.« Sie ließ die Worte einen Augenblick wirken.
Gedankenvoll nickte Kamlio. »Es ist wahr, daß er nicht einmal versucht hat, mich zu berühren, seit er mich freigekauft hat. Seit ich von Euch weiß, daß er der Sohn einer Frau der Ried-Welt ist, begreife ich auch, warum. Doch damals war ich blind vor Wut über den Tod meiner Schwester und bemerkte es nicht.«
Mara nahm dies als Ermutigung. »Wenn du ihn nicht lieben kannst, sei seine Freundin. Er hat einen lebhaften Intellekt und einen durchdringenden Verstand.«
Kamlio schaute auf, ihre Augen glänzten von zurückgehaltenen Tränen. »Mit so wenig würde er sich zufrieden geben?«
»Versuch es.« Mara lächelte. »Liebe fordert nicht; sie akzeptiert. Ich habe mein Leben gebraucht, um das zu lernen.« Sie senkte die Stimme und fuhr fort: »Und das Geschenk zweier außerordentlicher Männer.« Sie blickte Kamlio direkt an, und ihr Ton hatte etwas Verschwörerisches. »Niemals habe ich erlebt, daß Arakasi von etwas oder irgendwem durcheinandergebracht worden wäre. Die Herausforderung deiner Freundschaft könnte ihn notwendige Bescheidenheit lehren.«
Kamlio warf ihre schönen Haare zurück, und der Gesichtsausdruck nahm etwas Schelmisches an. »Wollt Ihr damit sagen, ich könnte ihm etwas zurückgeben für die Anmaßung, wenn es mich betrifft?«
»Ich will damit sagen, daß ihr beide voneinander lernen könntet«, betonte Mara. Dann ließ sie ihren Blick durch den Raum schweifen. »Aber das hängt davon ab, ob wir lebend aus diesem Hochland zurückkehren.«
Kamlios kurze Fröhlichkeit verschwand wieder. »Sie könnten Euch zwingen, mich einzutauschen.«
Maras Beharrlichkeit kehrte mit großer Schärfe zurück. »Nein. Ich bin eine Lady und Tsurani. Ich stehe zu meinem Wort. Dein Leben gehört nicht mir, und ich darf darüber nicht verhandeln. Entweder erhalte ich meine Forderungen durch eigenen Verdienst, oder ich stelle mich dem Schicksal, das die Götter für mich auserwählt haben. Wenn es zu einer dauerhaften Gefangenschaft kommt, Kamlio, erkläre ich dir jetzt, daß ich dir meinen Segen gebe, dir das Leben mit der Klinge zu nehmen oder zu fliehen, wenn du kannst; du bist eine freie Frau. Glaube niemals wieder, daß dein Blut oder deine Wünsche weniger ehrenvoll sind als die von Lujan oder Saric oder anderen Kriegern meiner Ehrengarde.« Plötzlich überwältigt von tiefer Müdigkeit, unterdrückte Mara ein Gähnen hinter der Bettdecke. »Doch ich glaube nicht, daß es soweit kommt. Die Ereignisse des Abends geben mir Grund zu der Annahme, daß Hotabas Angebot eine Prüfung war. Meine Prüfung. Ob ich irgendwelche Zugeständnisse erreichen konnte, werden wir erst am Morgen erfahren. Schlaf jetzt, Kamlio. Jetzt können wir nur geduldig auf das Ergebnis warten.«
Die Lady und ihre Kurtisane schliefen noch, als der Tag anbrach. Stille war inzwischen eingekehrt, nachdem der Wind sich gelegt hatte. Mara lag mitten in einem Gewirr aus schwarzen Haaren, die Bettlaken fest um ihre Schultern gewickelt von unruhigen Träumen. Bei der Berührung von Miranas Hand schoß sie senkrecht in die Höhe und sog die Luft ein.
»Lady, Ihr müßt rasch aufstehen und Euch ankleiden«, drängte die Frau des Oberhäuptlings sanft. »Die Kaliane ist zurückgekehrt, um die Entscheidung zu verkünden, die in Dorales gefällt wurde.«
Mara sprang vom Feldbett auf und keuchte, als sie die kühle Luft spürte. Das Herdfeuer war während der Nacht ausgegangen. Während sie die eiskalten Gewänder anzog, entfachte Mirana erneut die Glut, damit Kamlio unter angenehmeren Umständen aufstehen konnte. Die Lücke im Fensterladen ließ etwas Grau hindurch. Wolken oder Nebel behinderten den Sonnenaufgang, und Mara spürte ihre steifen Gelenke.
Es waren silberne Haare im Kamm, als sie sich fertigmachte. Ihr Herz schlug zu
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