Tag der Entscheidung
schnell vor Erwartung, und ihre Gedanken kreisten immer und immer wieder um ihr Heim zu Hause, um die Kinder und Hokanu. Würde sie jemals wieder die Gelegenheit haben, ihre Ehe zu retten? Götter, betete sie, laßt mich nicht auf fremdem Boden sterben. Laßt Kamlio für Arakasi nach Hause zurückkehren.
»Beeilt Euch«, drängte Mirana leise, als wollte sie Kamlio nicht wecken. »Die Kaliane ist nicht wegen ihrer Geduld bekannt.«
Mara steckte ihre kalten Füße in die Sandalen, deren abgetragenes Leder inzwischen dünn war und ausgeleiert von der Feuchtigkeit und dem Rutschen auf dem Schiefer der Bergpfade. Eine der Fußspitzen war durchgescheuert. Wer im Kaiserreich würde sie als die Gute Dienerin erkennen, das Gesicht ungeschminkt, die Gewänder so schlicht wie die eines Töpfermädchens? Aufzustehen und aus der Tür hinauszugehen, um die Kaliane zu treffen, ohne wenigstens den Schein ihres Ranges aufrechtzuhalten, erforderte ein beschämendes Maß an Mut.
Mara bemühte sich ohne Erfolg, unverzagt zu wirken. Ihre Hände schwitzten und zitterten, und sie war dankbar für den entsetzlichen feuchten Nebel, der die Feuchtigkeit in ihren Augen verbarg.
Die Erinnerungen, die im goldenen Kreis zurückgekehrt waren, beunruhigten sie mehr, als sie zugeben wollte. Wäre Kevin hier gewesen, er hätte eine seiner grauenhaft humorvollen Bemerkungen gemacht, selbst in einem so angespannten Augenblick wie diesem. Mara vermißte seinen respektlosen Sinn dafür, ungünstige Zeitpunkte auszuwählen, etwas, das selbst ihre Ermahnungen niemals hatten verbessern können. Lange bevor sie fertig war, fand sie sich von Mirana auf den großen Hauptplatz getrieben, wo der zerlumpte Hotaba wartete, zusammen mit einer Gestalt, die unter Schichten von Roben kauerte – eine Person, die mehr Macht ausstrahlte als der Kaiser.
Mara schluckte ihren Stolz hinunter und verneigte sich tief. »Ich erwarte die Entscheidung der Kaliane«, murmelte sie.
Alte, gekrümmte Hände zogen sie empor. »Lady, steht aufrecht. Hier gilt Ehrerbietung als Beleidigung.« Die Kaliane betrachtete die Lady der Acoma mit einem Blick, der so durchdringend war wie das kleine Stück Glas, das Jican benutzte, um fragwürdige Gildensiegel zu vergrößern, wenn er ihre Echtheit überprüfen wollte. »Lady Mara«, sagte die Zauberin, »wir haben unsere Entscheidung getroffen. Wir haben entschieden, Eure Angelegenheit folgendermaßen zu unterstützen: Ihr erhaltet die Erlaubnis zu einer Reise, zusammen mit einem aus Eurer Gesellschaft, den Ihr selbst bestimmt. Ihr werdet über die Hochpässe bis zu den Toren Chakahas geführt werden, jener Cho-ja-Stadt, in der ihre Magier und Magierinnen leben.«
Maras Augen weiteten sich. Das Verbot! dachte sie. Wenn die Cho-ja Magier ausbrüten konnten und der Vertrag mit der Versammlung ihnen verbot, Magie innerhalb der Grenzen Tsuranuannis auszuüben, würde dies die Zurückhaltung der Cho-ja-Königin erklären. Ihre Aufregung wuchs.
Die Kaliane schien dies zu spüren, denn ihre nächsten Worte waren sehr ernst. »Lady Mara, Ihr müßt wissen, daß die Sache der Tsuranis nicht die unsere ist. Die Thuril haben nur Krieg geführt, als man in unsere Länder einmarschierte. Wir halten es nicht für unsere Pflicht, uns um die Politik einer feindlichen Nation zu kümmern. Ihr werdet die Gelegenheit erhalten, von ihnen gehört zu werden, und möglicherweise gewinnt Ihr auch ihre Allianz. Doch seid gewarnt: Der Schwarm der Cho-ja wird Euch als Feindin betrachten. Leute von unserem Volk können Euch sicher bis zur Grenze des Schwarms bringen, aber keinen Schritt weiter. Wir können nicht als Eure Sprecher auftreten. Und wir können auch nicht eingreifen und Euch retten, wenn sich die Cho-ja Euch gegenüber feindselig verhalten. Versteht mich richtig: Ihr könntet für Eure guten Ziele sterben.«
Es war ein unsicherer Schritt vorwärts, räumte Mara im Bruchteil einer Sekunde ein, doch immer noch ein Schritt. Deutlich sagte sie: »Ich habe keine andere Wahl. Ich muß gehen. Ich werde Lujan, meinen Kommandeur, mitnehmen, und während seiner Abwesenheit wird mein Berater Saric die Ehrengarde befehligen.«
Etwas wie verborgene Bewunderung oder auch Mitleid flackerte in den Augen der Kaliane. »Ihr habt Mut«, gestand sie; dann seufzte sie. »Ihr wißt aber auch nicht, auf was Ihr Euch einlaßt. Aber gut. Seid versichert, daß Euren Bediensteten und Kriegern die Gastfreundschaft von Gästen zuteil werden wird, bis Euer Schicksal bekannt ist.
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