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Tag der Entscheidung

Tag der Entscheidung

Titel: Tag der Entscheidung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond E. Feist
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Tsurani!« Der Magier rollte seine riesigen Flügel wieder zusammen, während ein leichter Luftsog entstand und Lichtblitze wie aus dem Nichts zu kommen schienen. »Wir sind keine Kinder. Menschen haben kein Schwarmbewußtsein, das wissen wir. Das Konzept ist seltsam, es paßt nur schlecht zu unseren Gedankenprozessen. Wir verstehen, daß Ihr Büchereien und Lehrer einsetzt, um die Weisheit Eurer Nationen für nachfolgende Generationen zu erhalten.«
    Mara ergriff den Augenblick, der ihr wie ein Moment der Neutralität erschien. »Jemand von Eurer Rasse erzählte mir einst, daß das Schwarmbewußtsein der Cho-ja bei der Königin ruht. Was eine Königin weiß, erfahren alle. Doch ich frage Euch, was geschieht, wenn eine Königin sterben muß, ohne eine Nachfolgerin zu haben? Was wird aus ihren Arbeitern und Männchen und all den Individuen, die die Gemeinschaft ihres Schwarms ausmachen?«
    Der Magier klickte mit den Kauwerkzeugen. »Ihre Untertanen haben kein Schwarmbewußtsein«, räumte er ein. »Sollte ein Unglück eine Königin töten, würden ihre Rirari, die gewählten Bruthelfer, die Überlebenden aus Gnade enthaupten, denn ohne Schwarmbewußtsein würden sie ziellos sein und sterben.« Der Magier erklärte dies ohne Schuldbewußtsein, denn das Konzept von Mord unterschied sich von dem eines Menschen.
    »Also«, mutmaßte Mara kühn, »würden sie nicht auf Futtersuche gehen oder versuchen, sich selbst am Leben zu erhalten?«
    »Das können sie nicht.« Metall blitzte auf, als der Magier eine scharfe Geste mit einem der Vordergliedmaßen machte. »Sie haben kein Ziel außer dem Schwarm. Ich bin nicht anders. Die Königin, die mich ausgebrütet hat, ist meine gesamte Führung. Ich bin ihre Augen, ihre Hände, wenn Ihr so wollt, und ihre Ohren. Ich bin ihr Instrument, selbst wenn dieses Tribunal ihr Arm oder ihr Urteil ist. Ein Teil von mir ist bewußt, und ich kann in Unabhängigkeit handeln, wenn es zum Nutzen des Schwarms ist, doch alles, was ich bin, alles, was ich weiß, bleibt beim Schwarm, wenn dieser Körper nicht mehr länger funktioniert.«
    »Nun, ich erkläre hiermit, daß wir Menschen nicht so sind wie die Cho-ja. Wie auch Eure Königinnen haben wir unser eigenes Bewußtsein, unsere eigenen Ziele, unsere eigenen Überlebensmechanismen. Tötet unsere Herrscher und Lords, und wir werden mit unseren Angelegenheiten fortfahren. Laßt nur ein Kind leben, einen Mann oder eine Frau, und dieser Mensch wird bis zum Tod den eigenen Wünschen entsprechend weiterleben.«
    Der Cho-ja-Magier schien verwirrt. »Wir haben seit Generationen die Überzeugung, daß der Schwarm der Tsurani krank ist, wenn er auf jedes einzelne Bewußtsein von Millionen eingehen muß. Erklärt es, wieso.«
    »Das ist Individualität«, sagte Mara. »Ich habe der tsuranischen Nation nicht viel Wichtiges mitzuteilen als Einzelperson. Statt dessen wiederhole ich meine Bitte, von den Handlungen meiner Ahnen zu erfahren, die Euer Tribunal veranlaßten, mich ohne Anhörung zu verurteilen.«
    Das an einen Schreiber erinnernde Wesen an der Seite des Magiers warf Mara einen Blick zu und sprach zum ersten Mal. »Es könnte bis zum Einbruch der Nacht dauern, und das bedeutet die gesamte Zeit, die Euch zur Verfügung steht.«
    »Dann ist es so«, sagte Mara mit etwas festerer Stimme, seit sie zumindest in der Lage war, eine Unterhaltung mit diesen fremdartigen Cho-ja in Gang zu bringen. Von unmittelbarer Bedeutung waren jetzt die körperlichen Bedürfnisse, die ihr bisher verwehrt worden waren, und die Frage, wie lange sie sie noch unterdrücken mußte.
    Doch die Cho-ja erwiesen sich als nicht gänzlich unsensibel. Der Schreiber des Magiers ergriff wieder das Wort. »Wir erfüllen Euch die Bitte und gewähren Euch alle Annehmlichkeiten, die Ihr zu Eurem Wohlergehen bis zur Stunde des Sonnenuntergangs benötigt.«
    Mara neigte sich zum Dank, dann verbeugte sie sich. Als sie wieder aufstand, war der Magier verschwunden, ohne Geräusch, ohne Zeremonie, als hätte er sich in Luft aufgelöst. Der Schreiber war noch da; er dirigierte die herbeiströmenden unmarkierten Arbeiter, die den Auftrag hatten, sich um Maras Bedürfnisse zu kümmern.
    Später, nachdem sie sich erfrischt und von einem üppigen Tablett mit Früchten, Brot und Käse gegessen hatte, machte Mara es sich auf schönen Kissen bequem, immer noch vor dem Tribunal. Sie erhielt die Hilfe eines Cho-ja-Redners, dessen Aufgabe es war, für sie jene Lücken in der Geschichte des Kaiserreiches zu

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