Tag der Entscheidung
Gürtel hingen, schien er ein Schreiber zu sein; und er folgte einer anderen Gestalt von überragender Größe dicht auf den Fersen, die etwas mit sich zog, was Mara zunächst für eine Art dünnen Mantel gehalten hatte. Sorgfältigere Beobachtung ergab jedoch, daß es Flügel waren, sorgfältig übereinandergefaltet wie die Schleppe einer Frau. Sie schleiften mit dem Hauch eines Raschelns über den polierten Boden, während sie Lichtblitze ausstießen, die in der Luft umhertanzten und erstarben. Nach dem Gefühl von Macht, das ihr eine Gänsehaut einjagte, wußte Mara, daß ein Magier in der Nähe war.
Ehrfurcht hielt ihren Mund geschlossen. Das Geschöpf war so groß! Es bestand aus schlanken, stelzenähnlichen Gliedmaßen und bewegte sich mit einer Anmut, die sie an Kevins Beschreibung der Elfen erinnerte, die auf Midkemia lebten. Doch dieses fremde Wesen barg mehr als nur Schönheit. Sein geschmeidiger, großer Kopf war von Fühlern gekrönt, die ab und zu ein Glühen verströmten. Die vorderen Gliedmaßen waren mit kostbarem Metall beringt, mit Silber, Kupfer und Eisen. Was aus der Entfernung wie Streifen ausgesehen hatte, war in Wirklichkeit viel komplizierter, ein Gewirr aus fadendünnen Linien, die eine bestimmte Bedeutung zu haben schienen, wie Tempelrunen oder ein Text außerhalb der Kenntnis menschlicher Wahrnehmung. In Mara kämpfte Neugier gegen Furcht, bis nur noch Unsicherheit über ihr Schicksal sie schweigen ließ. Auf ihr lastete die Zukunft des Kaiserreiches, und wie die vorhergegangenen Guten Diener und Dienerinnen des Kaiserreiches spürte auch sie die Verantwortung schwer auf sich ruhen.
Sie wurde einen Gang entlanggedrängt und durch eine äußere Tür hindurch, auf einen Steg von betäubender Höhe. Er führte zu einer Wölbung zwischen zwei Türmen und bot einen dramatischen Ausblick auf die Glasstadt, den Dschungel und die Zacken der Bergkette, die das Tal umgaben. Mara sah weitere Cho-ja-Magier im Flug über den Türmen der Stadt, bevor die Eskorte sie weiterdrängte. Sie wurde über den Steg geschoben, der nicht durch Geländer abgesichert war, sondern mittels einer seltsamen, beinahe klebrigen Substanz, die für sicheren Halt sorgte. Der mit Säulen versehene Eingang auf der anderen Seite öffnete sich in eine große, gewölbte Halle.
Hier hockten noch mehr Cho-ja in einem Halbkreis; sie trugen ähnliche Markierungen wie der, den sie als Schreiber eingeschätzt hatte. Für sie, die an die ungeschmückten schwarzen Kreaturen in ihrem eigenen Land gewöhnt war, hatte ihre Farbenpracht etwas Unergründliches. Sie wurde in die Mitte der Versammlung geführt, wo der große Magier sich herumdrehte und seine rubinroten Augen auf sie heftete. »Tsurani-Mensch, wer seid Ihr?«
Mara holte tief Luft und bemühte sich, mit fester Stimme zu sprechen. »Ich bin Mara, Lady der Acoma und Gute Dienerin des Kaiserreiches. Ich bin gekommen, um Euch zu bitten –«
»Tsurani-Mensch«, unterbrach der Magier sie dröhnend. »Vor Euch stehen die Richter, die Euch bereits für schuldig befunden haben. Ihr seid nicht hierhergebracht worden, um etwas zu erbitten, da Euer Schicksal bereits entschieden ist.«
Mara wurde starr, als hätte sie einen Schlag erhalten. »Für schuldig befunden! Welches Verbrechen wird mir zur Last gelegt?«
»Das Verbrechen Eurer Natur. Das zu sein, was Ihr seid. Die Handlungen Eurer Ahnen sind der Beweis.«
»Ich soll für etwas sterben, das meine Ahnen Jahrhunderte zuvor getan haben?«
Der Cho-ja-Magier überhörte die Frage. »Bevor Euer Urteil verlesen wird und zum Wohle Tsuranuannis, dem Heimatort des menschlichen Schwarms, der Euch geboren hat, gestattet es unser Brauch, daß Ihr das Recht auf ein Testament habt, damit Euer Volk nicht jener Weisheit verlustig geht, die Ihr mitzuteilen Euch entscheidet. Ihr erhaltet die Gelegenheit, bis zum Einbruch der Nacht zu sprechen. Unsere Schreiber werden aufnehmen, was Ihr sagt, und ihre Schriften werden von thurilischen Händlern Eurem Heimatschwarm übergeben werden.«
Mara betrachtete das Muster des Cho-ja-Magiers, und Wut überkam sie. Wie Lujan benötigte sie dringend die Möglichkeit, ihren körperlichen Bedürfnissen nachzukommen. Sie konnte mit einer vollen Blase nicht denken, und sie konnte nicht akzeptieren, was in der kurzen Rede des Magiers enthalten war: daß sie nur ein Mitglied ihres Schwarms war und daß ihre ständige Abwesenheit keine weiteren Konsequenzen beinhaltete als erhaltenes oder verlorenes Wissen.
Die
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