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Tag der Entscheidung

Tag der Entscheidung

Titel: Tag der Entscheidung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond E. Feist
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Peitschenhieb.
    Die Lady nickte, zu entmutigt zum Sprechen und unwillig zu glauben, daß sie diesen weiten Weg hinter sich gebracht hatte, um in Bausch und Bogen einem ungerechten Schicksal übergeben zu werden.
    »Haben sie Euch nach dem letzten Wunsch gefragt, bevor sie Euer Urteil verlasen?« fragte Lujan.
    Benommen nickte sie; und zwischen Hilflosigkeit und Trauer dachte sie an einen bestimmten Punkt, der ihr etwas Trost verschaffte: Die Cho-ja von Chakaha hatten ihr Urteil nicht verlesen. Irgendwie hatten der Gegenstand und die Unterbrechung durch die Rückkehr des Cho-ja-Magiers die formalen Vorgänge gestört.
    Sie sperrte sich dagegen, in diese kleine Ungereimtheit Hoffnung zu legen, und so begann sie eine Unterhaltung. »Worum habt Ihr gebeten, als letzte Bitte?«
    Lujan grinste sie ironisch an. Als wäre alles in Ordnung, bot er Mara seine Hand und half ihr, es sich auf den Kissen bequem zu machen. »Ich habe nicht gefragt«, räumte er ein. »Ich habe verlangt. Als das Recht eines Kriegers, wenn er vom Staat für Verbrechen verurteilt wird, die sein Herr begangen hat, forderte ich den Tod im Zweikampf.«
    Mara wölbte die Brauen; sie war zu ernüchtert, um erheitert zu sein, doch sie griff stürmisch die Bedeutung dieser Entwicklung auf. Das Recht auf Tod im Kampf war ein tsuranischer Brauch. Warum sollten die Chakaha-Cho-ja eine solche Tradition ehren? »Hat das Tribunal Euch diesen Wunsch zugestanden?«
    Lujans schiefes Grinsen verriet die Antwort, bevor er etwas sagen konnte. »Zumindest erhielt ich die Gelegenheit, an etwas Chitin zu kratzen, bevor sie meinen Kopf kriegen.«
    Mara unterdrückte ein unangebrachtes hysterisches Kichern. »Wen haben die Cho-ja als ihren Kämpfer ausgewählt?«
    Lujan zuckte mit den Schultern. »Spielt das eine Rolle? Ihre Krieger sehen alle gleich aus, und das Schwarmbewußtsein sorgt ganz sicher dafür, daß sie alle die gleichen Fähigkeiten besitzen. Die einzige Befriedigung, die ich habe, ist, daß ich im Kampf in Stücke gerissen werde, bevor ihr Oberhaupt mir die Kehle durchschneiden kann.« Er lachte bitter. »Früher einmal hätte ich einen solchen Tod in Eurem Dienst als die Ehre eines Kriegers angesehen, und die Päane, die mich am Eingang zu Turakamus Hallen begrüßt hätten, wären die einzige Anerkennung gewesen, die ich mir gewünscht hätte.« Er schwieg, wie in tiefe Gedanken versunken.
    Mara wagte, für ihn die Schlußfolgerung daraus zu ziehen. »Doch Euer Konzept von Ehre hat sich gewandelt. Jetzt erscheint der Tod eines Kriegers bedeutungslos neben den Möglichkeiten, die das Leben bietet.«
    Lujan warf seiner Lady einen gequälten Blick zu. »Ich hätte es niemals so treffend sagen können, aber es stimmt. Kevin von Zûn öffnete mir die Augen, was sowohl die Prinzipien wie auch die Sehnsüchte angeht, die die Lebensweise der Tsuranis niemals beantworten kann. Ich habe gesehen, wie Ihr es gewagt habt, den Weg unserer gesamten Kultur zu ändern, was ein anderer Herrscher aus Angst, sich vor seinen Kameraden lächerlich zu machen, niemals getan hätte. Wir haben uns verändert, Lady, und das Kaiserreich steht mit uns kurz vor dem Wandel.« Er blickte sich um, als wolle er das bißchen Leben abschätzen und genießen, das ihm noch blieb. »Ich sorge mich nicht um mein eigenes Leben; wer würde mir hinterhertrauern, der nicht selbst in den Tod geht, wenn wir versagen?« Er schüttelte den Kopf. »Es ist die Enttäuschung darüber, eine Gelegenheit zu verlieren, irgendwie … das weiterzugeben, was wir gelernt haben, damit diese Einsichten nicht mit uns untergehen.«
    Mara sprach beharrlich, um ihre eigene Furcht zu verbergen. »Hokanu wird zurückbleiben und unsere Kinder, um nach uns weiterzumachen. Sie werden irgendwie selbst herausfinden, was wir erkannt haben, und einen Weg finden, etwas zu tun, ohne in diese Cho-ja-Falle zu tappen.« Sie seufzte tief und blickte ihren alten Kameraden an. »Mein größtes Bedauern ist merkwürdigerweise das einer verheirateten Frau. Es tut mir unendlich leid, daß ich nicht zurückkehren kann, um Frieden mit Hokanu zu schließen. Er war früher immer eine Seele an Einfühlungsvermögen und Vernunft: Irgend etwas Wichtiges muß sein Verhalten gegenüber Kasuma veranlaßt haben. Ich fürchte, ich habe ihn ungerecht behandelt, indem ich ihn eines Vorurteils bezichtigte, das sein Wesen eigentlich nicht zuläßt. Jetzt ist es zu spät. Ich muß sterben, ohne die Frage gestellt zu haben, die unser Verständnis wieder

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