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Tag der Entscheidung

Tag der Entscheidung

Titel: Tag der Entscheidung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond E. Feist
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daß Ihr eine Gesandte ungehört verurteilt?« Die Mitglieder des Tribunals zuckten zusammen, und der Wächter machte eine aggressive Vorwärtsbewegung, doch Mara war bereits benommen vor Angst und kümmerte sich nicht darum. »Es war eine Königin von Eurer Art, die mich herschickte, um mit Euch zu verhandeln. Sie barg die Hoffnung für jene Cho-ja, die jetzt eine gefangene Nation in den Grenzen des Kaiserreiches sind, und sie sah in mir die Chance, die Untaten der Vergangenheit zu korrigieren. Ihr richtet mich ungehört hin, obwohl ich die Gegnerin der Versammlung bin und herkam, um Euch um Hilfe gegen ihre Tyrannei zu bitten?«
    Das Tribunal betrachtete sie aus identischen Paaren edelsteinharter, unbeweglicher Augen. »Lady«, rief ihr Sprecher, »teilt Eure letzte Bitte mit, sofern Ihr eine habt.«
    Mara schloß die Augen. Sollten alle ihre Bemühungen hier enden, zusammen mit ihrem Leben? War sie die Gute Dienerin des Kaiserreichs geworden, die Frau eines guten Lords, Herrscherin der Acoma und Beraterin des Kaisers, nur um voller Scham auf fremdem Boden zu sterben? Sie unterdrückte ein kräftiges Zittern und unterließ es, sich mit den Händen den Angstschweiß von der Stirn zu wischen. Sie besaß nichts mehr in diesem Augenblick als die Würde ihres Volkes. An ihre Ehre glaubte sie schon längst nicht mehr, nachdem sie gehört hatte, was ihre Ahnen auf dem Schlachtfeld gegen eine friedvolle Zivilisation angerichtet hatten. Und so klang ihre Stimme merkwürdig, als sie meinte: »Hier ist meine letzte Bitte: daß Ihr dies hier an Euch nehmt.« Sie hielt den magischen Gegenstand hoch, den Gittania ihr gegeben hatte und der ihre Aussage gegenüber diesen feindseligen Cho-ja unterstützen sollte. Sie zwang sich fortzufahren: »Ich bitte Euch, diesen Bericht zu nehmen und ihn zusammen mit den Einzelheiten meiner Hinrichtung in Euer Schwarmgedächtnis aufzunehmen, damit alle von Eurer Art wissen werden, daß die Menschen nicht die einzigen sind, die Grausamkeiten begehen. Wenn mein Ehemann und meine Kinder, wenn meine Familie, die als mein Schwarm dient, mich als Vergeltung für den Vertrag der Versammlung verlieren muß, dann müssen zumindest meine innersten Absichten im Gedächtnis des Schwarms meiner Mörder überleben.«
    Ein lautes Summen antwortete ihr. Mara überließ sich jetzt gefährlicher, eisiger Entschlußkraft. »Dies ist meine letzte Bitte! Ehrt sie als meinen Todeswunsch, oder mögen die Götter Eure Rasse bis ans Ende der Zeit dafür verfluchen, daß Ihr die gleichen Ungerechtigkeiten begeht, die Ihr uns vorwerft!«
    »Ruhe!« Der Befehl erschütterte den Raum und hallte von der Kristallkugel mit einer Kraft wider, die ausreichte, um zu betäuben. Mara wand sich allein unter dem schieren Gewicht des Tons und brauchte einen Augenblick, um zu begreifen, daß der Befehl nicht von jemandem aus dem Tribunal erschollen war, sondern von einem Cho-ja-Magier, der sich aus dem Nichts in der Kammer materialisiert hatte. Seine Flügel waren weit ausgebreitet und die Markierungen komplex genug, um den Blick darin zu verlieren. Er stapfte auf Mara zu, mit harten, türkisfarbenen Augen, kalt wie das Eis, das die entfernten Berge bedeckte. Als er vor Mara stehenblieb, hatte seine Haltung etwas Bedrohliches.
    »Gebt mir den Gegenstand«, verlangte er.
    Mara reichte ihm das Objekt, fest davon überzeugt, daß sie nichts anderes hätte tun können, selbst wenn sie es gewollt hätte. Es war etwas Magisches im Ton des Cho-ja, dem sie nicht widerstehen konnte.
    Der Cho-ja-Magier nahm den Gegenstand auf, beinahe ohne ihre Haut zu berühren. Dann wurde Mara von einem blendenden Blitz überrascht. Licht umhüllte sie, dicht und unerbittlich wie ein Ersticken, und als ihre Sinne sich vom Schock der Beschwörung wieder erholten, war die Kuppelhalle des Tribunals verschwunden, weggewischt, als hätte sie niemals existiert. Sie fand sich in der sechseckigen Zelle wieder, fensterlos und ohne Türen wie zuvor, doch jetzt war der Steinboden mit farbigen Kissen und zwei Schlafmatratzen in tsuranischem Stil ausgelegt. Auf der einen hockte Lujan, den Kopf in die Hände gestützt, das Gesicht voller Verzweiflung.
    Bei der Ankunft seiner Lady sprang er auf und verneigte sich mit der Ehrerbietung eines Kriegers. Seine Haltung war korrekt bis ins letzte Detail, und doch lag Hoffnungslosigkeit in seinen Augen.
    »Ihr habt gehört, was mit uns geschehen wird?« wollte er von Mara wissen. Seine Stimme klang so scharf wie ein

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