Tag der Entscheidung
füllen, die innerhalb seiner Grenzen zum verbotenen Wissen zählten.
Zufrieden über das Ende einiger Unbehaglichkeiten, winkte Mara dem Cho-ja zu, mit der Rede zu beginnen. Während der Nachmittag purpurrote Schatten durch mit Säulen versehene Fenster warf und der Himmel über der Kristallkuppel sich langsam dunkler färbte, nahm sie an einer Geschichte großen Kummers teil, einer Geschichte über von grauenhaften magischen Blitzen verbrannte Stöcke und Abertausende von Cho-ja, die unbarmherzig von den Rirans der hingemordeten Königinnen enthauptet wurden. Sie hörte von Greueltaten, von gestohlenen Eiern und Cho-ja-Magiern, die nutzlosen Qualen ausgesetzt wurden.
Die Cho-ja in jenen Zeiten waren auf die Realität eines Krieges mit magischen Mitteln schlecht vorbereitet. Sie benutzten Magie, um Wunder zu errichten, um die Natur mit der Schönheit intelligenter Kunstwerke anzubeten, um Glück und besseres Wetter zu bringen. In solch friedlichen Fähigkeiten hielten die insektenähnlichen Zauberer das gesammelte Wissen von Jahrhunderten, und die ältesten unter ihnen hatten Rückenpanzer, die von Millionen Beschwörungen spiralförmig gewunden und punktiert waren.
Hier wagte Mara eine Unterbrechung. »Heißt das, die Markierungen auf Euren Magiern sind Abzeichen von Erfahrungen?«
Der Redner neigte den Kopf. »In der Tat, Mylady. Im Laufe der Zeit werden sie zu so etwas. Jeder Bann, jede Beschwörung, die sie aussprechen, schreibt sich in Farben auf ihren Körpern ein, und je größer ihre Kräfte, desto komplexer sind die Muster.«
Der Redner fuhr fort zu betonen, daß die Cho-ja-Magier aus der Zeit der Goldenen Brücke keine Beschwörungen für kriegerische Gewalt besaßen. Sie konnten mit Hilfe der Magie Beschwörungen zum Schutz aussprechen, doch das war kein Widerstand gegen die aggressive Magie der Versammlung. Die Kriege der Magie waren keine Schlachten, sondern Massaker. Der Vertrag, der die Cho-ja des Kaiserreiches in die Unterwürfigkeit verbannte, war nur aus der Notwendigkeit zu überleben angenommen worden.
»Die Bedingungen sind hart«, endete der Redner mit einem Ton, der Bedauern hätte sein können. »Innerhalb Tsuranuannis dürfen keine Magier ausgebrütet werden. Den Cho-ja ist es verboten, die Markierungen zu tragen, die Alter oder Rang anzeigen; sie müssen als Erwachsene Schwarz tragen, so wie Euren tsuranischen Sklaven nur graue Kleidung zugestanden wird. Der Handel mit den Cho-ja außerhalb Eurer Grenzen ist nicht erlaubt, der Austausch von Informationen, Nachrichten oder Überlieferungen der Magie ausdrücklich verboten. Es ist unser Verdacht, wenn nicht die traurige Wahrheit, daß alle Berichte und Informationen über Cho-ja-Magie aus dem Bewußtsein der Schwärme entfernt wurden. Würden alle Tsuranis sterben und die Anordnungen der Versammlung überflüssig werden, besteht nur eine zweifelhafte Chance, daß eine im Kaiserreich ausgebrütete Königin noch ein Ei produzieren könnte, um einen Magier auszubrüten. Unsere stolzen Artgenossen sind zu Arbeitstieren gemacht und unter die Erde verbannt worden, und ihre Kunst der Beschwörungen ist für immer verloren.«
Der Himmel jenseits der Wölbung hatte sich mittlerweile bis zur Dämmerung verdunkelt. Das Tribunal, das bis jetzt in absoluter Reglosigkeit verharrt hatte, erhob sich nun, während der Redner auf ein unausgesprochenes Signal hin schwieg. Ein Cho-ja-Wächter hinter Mara stieß sie aus den Kissen, und der Schreiber das Magiers neigte seinen Kopf in einer Weise, die Bedauern ausdrückte. «Lady, Eure Zeit des Testaments ist vorüber und der Augenblick gekommen, Euch das Urteil zu verkünden. Wenn Ihr noch eine letzte Bitte habt, solltet Ihr sie jetzt äußern.«
»Eine letzte Bitte?« Der Wein und die süßen Früchte hatten Maras Wahrnehmung ein wenig benommen gemacht, und die Vertrautheit, die sie mit dem Redner während des Nachmittags verbunden hatte, machte sie kühn. »Was meint Ihr damit?«
Der Schreiber des Magiers verlagerte sein Gewicht und schwieg beharrlich. Der Größte von den Cho-ja des Tribunals beantwortete ihre Frage. »Euer Urteil, Lady Mara von Tsuranuanni. Wenn Euer Testament vorüber ist, wird offiziell verkündet, daß Ihr morgen bei Tagesanbruch hingerichtet werdet.«
»Hingerichtet!« Ein Adrenalinstoß fuhr durch Maras Körper, und Furcht ließ ihre Schultern in die Höhe schnellen. Zorn glühte in ihren Augen. Sie wischte die Regeln des Protokolls beiseite. »Was seid Ihr, wenn nicht Barbaren,
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