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Tag der Entscheidung

Tag der Entscheidung

Titel: Tag der Entscheidung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond E. Feist
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Turakamus.«
    Lujan verbeugte sich tief. Seine Höflichkeit schien die Geduld ihrer Wärter zu strapazieren, denn sie zogen ihn hoch. Auch Mara wurde gepackt und geschoben, wie ein Hirte wohl seine Needra zum Schlachthof führt. Sie verlor Lujan aus den Augen, als sich die Körper der Cho-ja-Krieger um sie schlossen. Sie gaben ihr nicht die Möglichkeit zu protestieren, sondern führten sie durch das Gewirr von Gängen, das für die Stadt Chakaha charakteristisch war.
    Sie reckte ihr Kinn, obwohl Stolz jetzt keine Bedeutung mehr zu haben schien. Die Cho-ja dieses Landes ließen sich nicht durch Ehre beeindrucken oder durch Mut, und sie kümmerten sich auch nicht um menschliche Würde. Mara nahm an, daß sie schon sehr bald die Geister ihrer Ahnen begrüßen würde; doch nicht so, wie sie immer erwartet hatte. Hier und jetzt schienen sogar die größten ihrer tsuranischen Errungenschaften, selbst der glänzende Titel der Guten Dienerin des Kaiserreiches, leer und hohl. Jetzt hätte sie gern alles eingetauscht gegen einen letzten Blick auf ihre Kinder oder eine zärtliche Umarmung ihres Mannes.
    Kevin hatte noch weit mehr recht gehabt, als sie immer geglaubt hatte. Ehre war nur ein glorifizierendes Wort für Leere und kein wirklicher Ersatz für das Versprechen fortdauernden Lebens. Warum hatte es bis jetzt gedauert, daß sie so völlig begriffen hatte, was den Widerstand der Versammlung verursachte? Und wenn Hilfe dabei, ihren festen Griff auf Tsuranuanni zu zerbrechen, nicht hier gefunden werden konnte und diese thurilischen Cho-ja keine Allianz mit ihnen eingehen würden – wo konnte Hokanu dann nach weiteren Quellen suchen, um die Tyrannei zu beenden, die die Magier so rigoros aufrechterhielten? Wenn es Antworten darauf gab, würden sie ein Geheimnis bleiben. Die Cho-ja-Wachen waren so gleichgültig, als wären sie aus Stein. Sie gingen rasch durch die Gänge und über zwei Stege, die wie Glas glänzten. Mara betrachtete den klaren Himmel, der niemals so grün und frisch gewesen war wie jetzt. Sie roch den Duft der fruchtbaren Erde und des Dschungelgrüns, das von dem Parfüm der Tropenblumen begleitet wurde; und in der Brise nahm sie den Geruch von Eis war, der mit dem Wind von den Berggipfeln herbeigeweht wurde. Sie sog diese Freuden des Lebens tief in sich ein und auch die Schönheit, die in Chakahas filigranem Muster aus Türmen lag. Sie ging weiter, umgeben von farbigen Lichtpfeilen, die von Sonnenstrahlen verursacht wurden, die durch die Türmchen schienen, und ihr Mut sank angesichts des sinnlosen Endes, das ihnen bevorstand, des Verlustes aller Hoffnung, dem Ende aller Träume.
    Viel zu schnell geleiteten die Cho-ja-Wachen sie in die lichtdurchlässige purpurfarbene Kuppel, wo das Tribunal am Tag zuvor über sie geurteilt hatte. Jetzt waren keine anderen zugegen, nicht einmal Schreiber. Nur ein spindeldürrer Cho-ja-Magier befand sich in dem Raum. Er stand in einer gewölbten Nische. Auf dem Marmorboden vor seinen Füßen war eine Linie in Scharlachrot, die einen perfekten Kreis beschrieb.
    Mara erkannte seine Bedeutung. Er hatte einen Durchmesser von zwölf Schritten und ein einfaches Symbol in östlicher und westlicher Richtung, wo die beiden Krieger sich gegenüber aufstellen würden. Es war der Todeskreis, der vor unvorstellbaren Zeiten auch im Kaiserreich gezogen worden war. Hier würden zwei Krieger kämpfen, bis einer sein Leben im Laufe jener alten, rituellen Herausforderung verlor, die Lujan an Stelle einer ehrlosen Hinrichtung gewählt hatte.
    Mara biß sich auf die Lippe, um eine unschickliche Besorgnis zu unterdrücken. Einst hatte sie dem rituellen Selbstmord ihres Ehemannes mit weniger Beklommenheit zugesehen. Damals hatte sie die Verschwendung eines jungen Mannes bedauert, dessen Vernachlässigung durch seine eigene Familie ihn für ihre Ausbeutung anbot. Es war der erste Augenblick gewesen, in dem sich das Spiel des Rates weniger als ein starrer Ehrenkodex entpuppte als vielmehr als die Möglichkeit zum Ausbeuten der Schwächen anderer Menschen. Jetzt schien selbst die Ehre ohne Bedeutung zu sein.
    Mara sah Lujan an, der zwischen den Cho-ja-Wachen auf der anderen Seite stand. Sie kannte ihn gut genug, um in seiner Haltung lesen zu können, und sie begriff mit einem schrecklichen Stich, daß für den menschlichen Krieger, der gleich seine Waffen aufnehmen würde, um zu sterben, die Glaubenssätze, mit denen er erzogen worden war, keine Gültigkeit mehr besaßen. Er schätzte die Achtung, die

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