Tag der Entscheidung
Euch zu dienen, Lady Mara. Doch wenn wir den morgigen Tag überleben, bitte ich Euch um einen Gefallen: daß Ihr mir befehlt, eine Frau zu finden und zu heiraten! Denn ich glaube, angesichts der Euch feindlich gesinnten Versammlung werden sich solche Schwierigkeiten wie diese hier allzu leicht wiederholen, und wenn ich im Dienst an Euch sterben sollte, ziehe ich es vor, dem Todesgott nicht noch einmal mit demselben Bedauern entgegenzutreten.«
Mara betrachtete ihn und lächelte ihn voll tiefer Sympathie an. »Lujan, so wie ich Euch kenne, glaube ich nicht, daß ich Euch befehlen muß, was Euer Herz Euch deutlich sagt. Doch erst einmal müssen wir sehen, daß wir den Tagesanbruch überstehen.« Sie schlang die Arme um sich, als wollte sie sich vor Kälte schützen. »Wir müssen schlafen, tapferer Lujan. Denn der morgige Tag wird kommen.«
Sechs
Der Kampf
Es war unmöglich, Schlaf zu finden.
Seit Mara mit Lujan erstaunlich persönliche Dinge ausgetauscht hatte, empfand sie nicht mehr den Drang, sich zu unterhalten. Der Kommandeur der Acoma hatte keine Anstalten gemacht zu schlafen und hockte mit gekreuzten Beinen auf seiner Matratze. Die Cho-ja hatten seine Rüstung zusammen mit dem Schwert beschlagnahmt. Jetzt, da ihm nur das wattierte Untergewand geblieben war, das seine Haut vor dem Wundscheuern bewahren sollte, wirkte er beinahe nackt und verletzlich. Schlachtwunden, die gewöhnlich durch das Gewand verdeckt waren, wurden jetzt sichtbar, und obwohl er ein ebenso gewissenhafter Offizier war wie alle anderen tsuranischen, hatte er sein letztes Bad in einer eisigen Flußströmung genommen, als er die Spötteleien der Thuril über sich ergehen lassen mußte. Seine Kleidung war grau vor Schmutz, und die Haare standen vom langen Tragen des Helms wirr und in Wirbeln vom Kopf ab. Trotz seines muskulösen Körperbaus wirkte er ohne die Rangabzeichen und den Federbusch klein.
Mara schaute ihn an, und sie war gezwungen, seine menschliche Seite zu erkennen, seine Männlichkeit, die niemals Vaterschaft kennen würde, den ungewöhnlich zärtlichen Trost, den er mit Händen spendete, die mehr an den Griff eines Schwertes gewohnt waren. Als betrachte er sein bevorstehendes Schicksal mit großer Gelassenheit, meditierte er friedvoll; er zwang mit Hilfe seiner Disziplin als Soldat seine Sorgen beiseite, um sich gegen die Anforderungen des Kampfes zu wappnen.
Trotz der Ausbildung und Übungen des Bewußtseins, die Mara im Tempel Lashimas genossen hatte, fand sie keinen solchen Trost. Dieses Mal lag keine Beruhigung in den Ritualen; wenn sie nicht Bedauern für die geliebten Menschen zu Hause empfand, die verloren waren, dann Wut über ein ungerechtes Schicksal, das sie dazu verdammte, in ihrem Versuch zu scheitern, all jene zu beschützen, die noch lebten. Sosehr sie sich auch bemühte, es gelang ihr nicht, ihre Gedanken auch nur ansatzweise zu beruhigen.
Die Schmach, ohne eine Möglichkeit, mit ihren Wächtern Kontakt aufzunehmen, eingekerkert zu sein, ärgerte sie maßlos. Der magische Raum hielt die Verurteilten wirkungsvoll von allen anderen Lebewesen fern. Wütend fragte sich Mara, ob wenigstens die Götter ein Gebet an einem solchen Ort vornehmen könnten. Und ohne Fenster, ohne Geräusche von außen, schleppten sich die Minuten mühsam dahin. Dunkelheit wäre eine gesegnete Veränderung gewesen, doch die Cho-ja-Kugel war immer da, und ihr Licht schien grell und beharrlich.
Die Morgendämmerung würde kommen, unausweichlich.
Und doch war Mara, als der Morgen dann eintraf, bei aller Qual des Wartens, unvorbereitet. Ihre Gedanken rasten im Kreis, wiederholten unaufhörlich Ereignisse und fragten, ob diese oder jene Entscheidung, wenn anders gefällt, ihnen die Allianz und Freiheit beschert hätte. Ihre nutzlosen Überlegungen verursachten ihr Kopfschmerzen. Als das blitzende magische Licht zu wirbeln begann, mit dem sich die Auflösung ihres Gefängnisses ankündigte, fühlte sich Mara müde und niedergeschlagen. Zwei Cho-ja-Wachen traten auf sie zu, um sie in ihren Gewahrsam zu nehmen. Mara besaß noch genug Geistesgegenwart, sich zu erheben und auf Lujan zuzugehen, der bereits stand und wartete.
Sie nahm seine trockenen Hände in ihre feuchten. Dann betrachtete sie sein ausdrucksloses Gesicht und sprach die rituellen Worte: »Krieger, Ihr habt in höchster Ehre gedient. Ihr habt die Erlaubnis Eurer Herrin, den Tod zu wählen, den Ihr wünscht. Kämpft gut. Kämpft tapfer. Tretet singend in die Hallen
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