Tag der Entscheidung
unserem Spion unter Hokanus Boten eine Nachricht erhalten. Wir haben genaue Informationen darüber, wie sie ihre Truppen aufstellen will.« Hier wurde die Freude des Ersten Beraters etwas gedämpfter, als er sich in Erinnerung rief, wie schwer es gewesen war, die Geheimschrift zu entschlüsseln, in der Hokanus persönliche Korrespondenz abgefaßt war.
Als spürte er, daß eine Lehrstunde in solchen Feinheiten folgen würde, stürzte sich Jiro auf die nächstliegende Diskussion. »Und?«
»Und?« Chumaka wirkte einen Augenblick verwirrt, als seine Gedanken abgelenkt wurden. Doch seine Augen verloren nichts von ihrer Schärfe, und sein Verstand arbeitete beindruckend schnell. »Und Eure List funktionierte.«
Jiro stand kurz davor, die Stirn unwillig in Falten zu legen. Immer wieder schien Chumaka von ihm zu erwarten, daß er seinen vagen Anspielungen ohne weitere Erklärung folgte. »Von welcher List sprecht Ihr?«
»Welche wohl? Diejenige, die die Konstrukteure Eurer Belagerungsmaschinen und die Pläne des Puppenmachers betrifft. Lady Mara glaubt, daß wir von ihr reingelegt worden sind, indem wir ihre falschen Arbeiter anheuerten. Sie unterläßt es, sich auf einen Angriff jener Kräfte vorzubereiten, die auf den Sturm von Kentosani eingestellt sind.« Hier winkte Chumaka unwillig ab. »Oh, sie hat ihren Ehemann betört, alle Shinzawai-Truppen aus dem Norden herbeizuholen. Sie werden unsere Nordflanke angreifen, glaubt sie, während unsere Reihen in Unordnung sind und wir immer noch darum kämpfen, uns von den Verlusten zu erholen, die sie als Folge des gescheiterten ersten Sturms unserer Rammböcke und Wurfgeschütze erwartet.«
»Sie werden nicht scheitern«, vermutete Jiro, und sein Gesicht wurde weicher. »Sie werden die überalteten Befestigungsanlagen zerstören, und unsere Männer werden bereits im Innern sein.« Er lachte bellend. »Die Truppen der Shinzawai werden nur noch eintreffen, um einem neuen Kaiser huldigen zu können!«
»Und um ihren jungen Erben zu beerdigen!« fügte Chumaka etwas leiser hinzu. Dann rieb er wieder die Hände gegeneinander. »Justin … Sollen wir sagen, daß er von heruntergefallenem Mauerwerk erschlagen worden ist – oder daß er für einen Dienerjungen gehalten wurde, der als Kriegsbeute dem Sklavenmeister übergeben wurde? Es gibt viele unangenehme Arten, wie ein Junge in den Sklavenunterkünften umkommen kann.«
Jiro preßte mißbilligend die Lippen aufeinander und zog die Augen zusammen. Er fühlte sich nicht wohl bei Praktiken, die er als brutal oder absichtlich grausam betrachtete – nachdem er während seiner Kindheit immer wieder von seinem jüngeren Bruder Buntokapi geärgert worden war, hatte er für solche Dinge nichts übrig. »Ich möchte, daß es schnell und sauber geschieht, ohne unnötige Schmerzen; ein ›fehlgeleiteter‹ Speer tut es genauso«, blaffte er. Dann wurde sein Ton nachdenklicher. »Mara. Es wäre natürlich etwas anderes, sollte die Gute Dienerin des Kaiserreiches den Truppen lebend in die Hände fallen.«
Jetzt war es an Chumaka, der Diskussion auszuweichen. Er war genug Tsurani, um dafür zu sorgen, daß Menschen gequält oder getötet wurden, wenn die Situation solche Maßnahmen erforderte, doch ihm gefiel die Idee ganz und gar nicht, der Guten Dienerin Schmerzen zuzufügen. Der Ausdruck in Jiros Augen, wann immer er über Lady Mara grübelte, verursachte dem Ersten Berater eine Gänsehaut.
»Mit Eurer Erlaubnis, Mylord, werde ich dafür sorgen, daß Euer Kommandeur Omelo die neuesten Informationen über die Aufstellung der Acoma und Shinzawai erfährt.«
Jiro machte eine gelangweilte Handbewegung, um seine Einwilligung zu zeigen, während seine Gedanken immer noch um seine Rachepläne kreisten.
Chumaka wartete gerade noch das zustimmende Zeichen ab, ehe er sich verbeugte und davonmachte; seine Stimmung besserte sich sofort wieder. Noch bevor Jiro seine Pergamentrolle erneut aufgenommen hatte und dann las, hastete der Erste Berater der Anasati, Ideen und Pläne vor sich hinmurmelnd, davon.
»Diese Minwanabi-Krieger, die nicht den Acoma die Treue geschworen haben, als Mara den Titel Gute Dienerin erhielt, könnten jetzt …«, grübelte er. Ein niederträchtiger Glanz blitzte in seinen Augen auf. »Ja. Ja. Ich denke, die Zeit ist reif, sie von der Grenzgarnison zurückzuholen und zur zusätzlichen Verwirrung unserer Feinde einzusetzen.«
Chumaka beschleunigte seinen Schritt; er pfiff laut, als er außer Hörweite seines Herrn war.
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