Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tag der Vergeltung

Tag der Vergeltung

Titel: Tag der Vergeltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liad Shoham
Vom Netzwerk:
hatten Polizei und Staatsanwaltschaft unentwegt unter Beschuss gestanden. Anstatt dass die Öffentlichkeit begriff, dass Leute mit kriminellen Interessen diese Attacken lenkten, war sie im Blutrausch. Sogar ihre besten Freunde waren der Meinung, dass sie und ihre Kollegen bei der Staatsanwaltschaft Unschuldige belasteten, Politiker drangsalierten, die sich nichts hatten zuschulden kommen lassen, sie zu viel Macht genossen und diese missbrauchten. Eine Geschichte wie die von Ziv Nevo würde nur Öl ins Feuer gießen. Er würde sich an die Medien wenden und lange, gut platzierte Interviews geben, ausschwatzen, wie er dazu gezwungen worden sei, eine Vergewaltigung zu gestehen, die er nicht begangen hatte, festgenommen und misshandelt, ja wie sein Leben zerstört worden sei. Erneut würden sie als Staatsanwaltschaft den Blick senken, irgendeine Erklärung hervorstottern müssen, dass sie in gutem Glauben gehandelt, sich jedoch geirrt hätten.
    Sie rief Schuki Borochov an.
    »Es hat sich herausgestellt, dass Ziv Nevo keine Vergewaltigung begangen hat«, sagte sie und erzählte ihm, dass Dana Aronov Fotos gezeigt worden seien. Sie wollte jeglichen Zweifel bei ihm ausräumen, dass sie ein doppeltes Spiel trieb. Er sollte nicht glauben, dass sie Ziv Nevo in die Hände bekommen wollte, ohne in Faros Angelegenheit Kompromisse zu machen.
    Borochov schwieg.
    »Unser Angebot lautet nach wie vor sieben Jahre.« Hier ging es um das gesamtgesellschaftliche Interesse; das zu berücksichtigen war schließlich ihre Aufgabe. Auch Galith würde zu guter Letzt Verständnis aufbringen. Sie war eine scharfsinnige, schlaue Staatsanwältin.
    Er schwieg immer noch. Dass er so still war, gefiel ihr gar nicht. War etwas vorgefallen, seit er ihr Büro verlassen hatte?
    »In Anbetracht der Vergehen Ihres Mandanten denke ich …«, setzte sie an, doch er schnitt ihr das Wort ab.
    »Über sieben Jahre wollen wir nicht einmal nachdenken.«
    Nun war es an ihr zu schweigen. Derartige Verhandlungen hatte sie unzählige Male geführt. Er würde ihr schon eine Zahl zuwerfen. Sie ihm darauf eine andere. Schließlich würden sie sich in der Mitte treffen.
    »Ich habe mit Faro gesprochen, wir gehen vor Gericht«, sagte er.
    Sie wartete, war gespannt, rechnete damit, dass er etwas äußern würde, um die Verhandlungen einzuleiten, doch er blieb stumm.
    »Dann sehen wir uns vor Gericht. Ich muss zugeben, dass ich ein wenig überrascht bin, dass Sie unser aller Zeit vergeuden. Sie riskieren, dass die Strafe letztlich wesentlich höher ausfällt, doch die Entscheidung liegt bei Ihnen. Nicht besonders vernünftig, aber Ihr gutes Recht«, sagte sie und versuchte, souverän zu klingen.
    »Lassen Sie’s gut sein, Racheli, da ist nichts mehr zu machen. Reichen Sie die Anklage zu den Dingen ein, die Ihnen vorliegen. Wir werden uns der Sache stellen.«
    Sie biss sich auf die Lippen. Bis vor wenigen Sekunden hatte sie noch geglaubt, es stünde lediglich auf der Tagesordnung, wie viele Jahre Faro im Gefängnis sitzen würde – und nun ging sie leer aus. Mit den beiden Namen, die sie hatte, bekäme sie ihn nicht vor Gericht.
    »Dann war’s das so weit, oder?«, fragte Borochov und fing an, von einer Juristenkonferenz in Eilat zu reden.
    Sie hörte ihn gar nicht. Sie sprühte vor Zorn, weil die Polizei diese überflüssige Verhaftung vorgenommen hatte, sie in diese Misere gebracht und sie auch noch kooperiert hatte. Jetzt würde alles einstürzen: Faro käme auf freien Fuß, Ziv Nevo würde im Stich gelassen.
    »Ich habe eine Bitte«, unterbrach sie Borochov in seinem Redefluss. »Sagen Sie Ihrem Mandanten, er soll Nevo freigeben.«
    »Ach, die Sache«, sagte er, »das habe ich ganz vergessen: Das war ein Irrtum. Wie sich herausgestellt hat, war der Mann ihm nur ähnlich. Mein Mandant hat keine Ahnung, wo Nevo sich aufhält.«
    Rachel Zuriel lehnte sich in ihrem Bürostuhl zurück. Keine Tablette der Welt könnte ihre Kopfschmerzen lindern.

51
    David Meschulam stand an der Straßenecke und verfolgte, wie das Rote Kreuz die Leiche von Jossi Golan aus dessen Wohnung in der Jeremiahstraße in Tel Aviv trug. Der Kampf mit dem Mann in Nevos Wohnung war nicht spurlos an ihm vorbeigegangen. Er hatte einige Schläge ins Gesicht einstecken müssen, die Nase war wahrscheinlich gebrochen. Sein Spiegelbild war furchterregend, wie er am Morgen hatte feststellen müssen.
    Er hatte Golan gut gekannt, ihn sogar ein bisschen gemocht. Dennoch empfand er keine Trauer. Golan hatte sich

Weitere Kostenlose Bücher