Tag der Vergeltung
tun?
52
Eli Nachum parkte seinen Wagen in der engen Straße, nah am Eingang der großen Villa. Nach Meravs Anruf hatte er nicht lange gebraucht, um die Einzelteile zu einem Bild zusammenzufügen. Seit dem Artikel galt er vielen bei der Polizei als Volksfeind Nummer eins, dennoch waren ihm einige alte Freunde geblieben. Meschulam gehörte offenbar zu Schimon Faros Organisation und auf den Fotos, die sie ihm geschickt hatten, hatte er den brutalen Typ wiedererkannt, der ihn in Nevos Wohnung zusammengeschlagen hatte.
Seit seiner Entlassung aus dem Krankenhaus hatte er das Haus kaum verlassen. Er saß tatenlos herum, der ganze Körper schmerzte, knirschte, wollte sich nicht erholen. Die Veröffentlichung des Artikels hatte ihn schockiert. Wie hatte er so nachlässig sein können? Die Falle nicht bemerken können?
Mosche Navon hatte ihn am Telefon angebrüllt. Andere hatten geschwiegen. Dieses Schweigen hatte ihm nicht minder wehgetan, sie teilten Navons Ansicht, er habe sie verraten. Immer wieder hatte er mit sich gerungen, ob er zum Telefon greifen, alles erklären solle. Doch die Ausrede, dass ihn ein Journalist, der Anfang zwanzig war, beim Schäfermatt erledigt hatte, schien ihm so jämmerlich und blamabel, dass er lieber vorgab, aus freien Stücken mit dem Journalisten gesprochen zu haben.
Giladi hatte ihn seitdem unzählige Male auf dem Handy und übers Festnetz angerufen. Vor einigen Tagen hatte er sogar stundenlang vor seinem Haus gewartet. Sein Redakteur habe ihn reingelegt, behauptete er. Er habe gekündigt. Eli Nachum wollte sich sein Gefasel nicht anhören. Dazu hatte er nicht die Nerven. Sollte die Welt doch ohne ihn auskommen. Abends konnte er kaum einschlafen, und morgens kam er kaum aus dem Bett. Die Gedanken ließen ihm keine Ruhe: Fälle, die er nicht gelöst hatte, Fälle, die er gelöst hatte, aber womöglich falsch – was würde aus ihm werden ohne seine Arbeit bei der Polizei?
Meravs Anruf hatte ihn mit einem Schlag aus seiner Depression gerissen, die Wirkung eines Weckers gehabt. Und er hatte ihn zur Besinnung gebracht, dass er sich nicht dem Abgrund überlassen durfte, der sich allmählich vor ihm auftat. Es gab Dinge, die er bereinigen musste. Nevo hatte ihm das Leben gerettet, und er steckte bis zum Hals in Schwierigkeiten. Zudem lief da draußen ein Vergewaltiger frei herum, womöglich wegen Fehlern, die er verschuldet hatte.
Er hatte seinen Freunden bei der Polizei nicht gesagt, wozu er unbedingt Einzelheiten über Meschulam brauchte, das hatte er Merav versprochen. Über Ziv Nevo hatte er ebenfalls kein Wort fallen lassen. Dass er etwas mit Faros krimineller Organisation zu tun hatte, überraschte ihn nicht. Da er nicht der Vergewaltiger war, musste er mit einer größeren Sache hinter dem Berg halten.
Er stieg langsam aus dem Auto. Jede zu rasche Bewegung rief ihm das nächtliche Aufeinandertreffen mit David Meschulam in Erinnerung. Er betrachtete die Mauer der Villa, vor der er nun stand, und die Videokameras, die sich auf ihn richteten und jede Regung demonstrativ verfolgten. Als Ermittler hatte er eine recht abwechslungsreiche Laufbahn gehabt, mit der Mafia hatte er bisher keine Erfahrung. Es schien immer ein erstes Mal zu geben.
Die schwere Eingangstür öffnete sich und ein großer Mann mit kurz geschnittenem Haar, schwarzem Hemd und schwarzer Hose trat auf die Straße.
»Sagen Sie Ihrem Boss, dass Kriminalkommissar Eli Nachum mit ihm reden will«, sagte Eli laut, für den Fall, dass die Kameras auch den Ton aufnähmen.
»Mein Herr, das ist Privatgelände, ich möchte Sie bitten zu gehen«, sagte der Kurzhaarige und bedeutete ihm, wieder ins Auto zu steigen.
»Wenn er heute nicht wieder nach Abu Kabir will, soll er mich besser reinlassen, richten Sie Ihrem Boss das aus«, sagte er noch lauter.
Der Kurzhaarige warf ihm einen fahrigen Blick zu, und Eli registrierte, dass er seine Anweisungen über Headset erhielt. Er ging zurück zur Villa, schloss das schwere eiserne Tor hinter sich und ließ ihn auf der Straße stehen.
Einige Minuten später kam er wieder heraus und sagte trocken: »Kommen Sie.«
»Was kann ich für Sie tun, Kriminalkommissar Eli Nachum?«, erkundigte sich Faro mit tiefer Stimme, als Nachum auf ihn zuging. Er lag in kurzärmeligem T-Shirt und Trainingshosen auf einem Liegestuhl in seinem großen Garten und genoss die Sonnenstrahlen. In der Mitte der Anlage befand sich ein Swimmingpool mit kitschigem Wasserfall.
»Sie können Ziv Nevo laufen lassen. Ich
Weitere Kostenlose Bücher