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Tag der Vergeltung

Tag der Vergeltung

Titel: Tag der Vergeltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liad Shoham
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er, eine Gegenüberstellung mit der Vorlage von Lichtbildern, ganz nach Vorschrift, durchzuführen. Von der Staatsanwaltschaft hatte er grünes Licht bekommen – wenn Ziv Nevo selbst nicht zur Verfügung stehe, sei gegen Lichtbilder nichts einzuwenden. Fürs Protokoll hatte er auf Assaf Rosens Handy die kurze Nachricht hinterlassen, dass sie eine Gegenüberstellung durchführen wollten und er sich dringend melden solle, eine Telefonnummer hatte er nicht angegeben. Bisher hatte sich Nevos Anwalt nicht gemeldet.
    Eingehend studierte er die Fotos, sie hingen an einer Korkwand und waren von eins bis acht durchnummeriert. Die Physiognomie der abgebildeten Männer wies enorme Ähnlichkeit mit der von Nevo auf. Er fragte sich, ob er es in seinem Bestreben, alles richtig zu machen, ein wenig übertrieben hatte. Doch er verdrängte den Gedanken. Mehrmals hatte er sich von Dana Aronov den Täter beschreiben lassen und ihre Antworten hatten ihm jedes Mal Genugtuung verschafft. Daher hatte er berechtigten Grund zu der Annahme, dass sie auch im Moment der Wahrheit die richtige Antwort geben und Ziv Nevo als Täter identifizieren würde. Er hatte der Versuchung widerstanden, im Raum ein Foto von Nevo zu »vergessen« und ihr damit unter die Nase zu reiben, auf wen sie gefälligst zeigen sollte.
    Der Techniker vom Kamerateam gab ihm zu verstehen, dass sie beginnen könnten. Er ging hinein. Er meinte zu sehen, dass in Danas blaue Augen Tränen traten. Das Blau ihrer Augen wirkte in dem geschwollenen, zugerichteten Gesicht noch kräftiger. »Es grenzt an ein medizinisches Wunder«, hatte Dr.   Misrachi ihr Erwachen kommentiert, der jetzt an ihrem Bett stand aus Sorge, dass die Wiedererkennung des Vergewaltigers oder allein der Versuch, ihn zu identifizieren, eine negative Wirkung auf sie hätte.
    Ohad Bar-El trat zu Aronov und erklärte aus protokollarischen Gründen, wie das Prozedere ablaufen würde. Als er mit seinen Erklärungen geendet hatte, drehte er mit einem Schwung die Pinnwand mit den Fotos um, als wäre er nicht Polizist, sondern Entertainer in einer Fernsehsendung. Angespannt verfolgte er ihre Mimik, als sie sich Foto für Foto ansah. Er stand so dermaßen unter Strom, dass er sogar die Bewegungen ihrer Augen zählte. Foto Nummer eins, Foto Nummer zwei. Sein Herz setzte fast aus, als sie von Foto Nummer fünf, das Nevo zeigte, gleich zum nächsten überging.
    Nachdem sie sich alle Fotos angeschaut hatte, blickte sie ihn an. Er las in ihren Augen, dass ihr die Wiedererkennung des Täters Mühe machte. Er bekam Magenkrämpfe. Dass diese Gegenüberstellung kein Ergebnis liefern würde, fehlte ihm gerade noch. Hinter ihm schnaufte Navon. Servierte er ihm Nevos Kopf nicht auf dem Silbertablett, würde Navon ihn für die misslungene Aufklärung des Falls verantwortlich machen. Er habe über die Stränge geschlagen, die Personen auf den Fotos seien sich zu ähnlich, würde er ihm vorwerfen.
    Aronov sah ihn immer noch schweigend an. »Konzentrieren Sie sich, Sie haben alle Zeit der Welt, keiner macht Ihnen Druck, es ist völlig klar, dass diese Situation für Sie schwierig ist«, sagte er und gab sein Bestes, beruhigend auf sie einzuwirken.
    »Ich weiß nicht …«, sagte sie, »ich kann hier niemanden wiedererkennen.«
    Ihm rutschte das Herz in die Hose. Waren diese ganzen Ermittlungspannen schlechtes Karma, seine Strafe für das, was er Eli angetan hatte?
    »Schauen Sie noch mal«, flehte er sie an und veränderte ein wenig seine Position, drehte der Kamera den Rücken zu.
    Als sie die Fotos erneut durchging, strich er mit der Hand über das von Ziv Nevo und verweilte ganz kurz in dieser Geste. Sie sah ihn an, und er warf ihr einen vielsagenden Blick zu. ›Das ist er, zeig auf ihn‹, rief er ihr in Gedanken zu. ›Bitte, nun mach schon, meine Karriere hängt davon ab‹, sagten seine Augen.
    »Tut mir leid …«, sagte sie resigniert und wandte sich ab.
    Er schnappte nach Luft. ›Halte nie etwas für selbstverständlich, hab immer einen Plan B, falls etwas schiefgeht‹, hatte er noch Elis Ratschläge im Ohr. Er verfluchte sich für seine Selbstsicherheit, mit der er gerade baden ging.
    »Schauen Sie sich bitte Nummer fünf an. Ist er der Mann, der Sie vergewaltigt hat?« Seine Stimme bebte angesichts der Lotterie, die er gerade spielte. Die Identifizierung des Täters anhand eines Fotos war um ein Vielfaches weniger wert, doch besser als nichts. In seiner Situation klammerte er sich an das Foto wie ein Ertrinkender an

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