Tag der Vergeltung
gern – den starken Wunsch zu helfen.
»Haben Sie eine Ahnung, wo er sich aufhält?«, fragte er.
Sie blickte auf das Schreiben, das sie vor wenigen Minuten geöffnet hatte. Sie hatte es mit wachsendem Entsetzen gelesen. Ziv war von einer kriminellen Organisation dazu gezwungen worden, an dem Auto einer ihm unbekannten Frau eine Sprengladung anzubringen. »Lies es nur, wenn du meinst, dass du und Gili in Gefahr seid«, hatte er zu ihr gesagt.
»Merav?«, hörte sie Eli Nachum ihren Namen sagen. Tat sie das Richtige? Immerhin waren sie und Gili derzeit in Sicherheit, ihnen drohte keine unmittelbare Gefahr.
»Er hat mir einen Zettel mit dem Namen des Mannes hinterlassen, den er treffen wollte«, brachte sie schließlich hervor und spürte ihr Herz rasen. Sie sagte ihm besser nicht die ganze Wahrheit. Würde das Schreiben in falsche Hände gelangen, könnte es Ziv ungeheuer schaden. Sie kannte Eli Nachum nicht und hatte keine Ahnung, was er damit vorhatte. Sie musste clever vorgehen. Faros Namen zu erwähnen wäre kaum von Nutzen.
»Wie lautet der Name?«, wollte er wissen.
»David Meschulam«, sprach sie mit zitternder Stimme den Namen des Mannes aus, der Ziv, wie er in dem Schreiben mehrmals erwähnte, die Instruktionen erteilt hatte.
49
Kriminalhauptmeister Ohad Bar-El war zufrieden. Endlich kamen die Ermittlungen in den Vergewaltigungsfällen voran. Zwar musste er bei Staatsanwaltschaft und Gericht noch diverse Genehmigungen einholen, weil die Privatsphäre des einen oder anderen verletzt worden war, und er musste noch durchstehen, was Eli Nachum »die juristische Kacke« nannte, sein Ziel hatte er jedoch erreicht: Er hatte von der Telefongesellschaft die Einzelnachweise der Gespräche bekommen, die Nevos Exfrau am Tag ihres Verschwindens vom Arbeitsplatz aus geführt hatte. Sie hatte kurz vorm Verlassen des Büros eine Freundin namens Orith Berger auf dem Mobiltelefon angerufen. Das Telefonat hatte vier Minuten und fünfzehn Sekunden gedauert. Berger, die in der Arava wohnte, hielt sich laut Auskunft der Grenzpolizei mit ihrer Familie derzeit im Ausland auf. Bar-El meinte zu wissen, warum Merav ausgerechnet sie kontaktiert hatte.
Nun war er ebenfalls auf dem Weg Richtung Süden, um Merav zu vernehmen und vielleicht, mit ein klein wenig Glück, Ziv Nevo aufzuspüren.
Er fuhr zügig. Das schöne Wetter machte ihm gute Laune. Noch dazu saß Schiri aus seinem Ermittlerteam auf dem Beifahrersitz. Schon lange hatte er ein Auge auf sie geworfen und sie schien nicht abgeneigt zu sein. Ein Tag, der so begann, musste gut enden.
Nach drei Minuten auf der Schnellstraße Richtung Arava klingelte sein Handy. In der Leitung war Dr. Dan Misrachi vom Ichilov-Krankenhaus. »Dana Aronov ist bei Bewusstsein und kann sprechen«, sagte er monoton, als würde er vom Wetter reden.
»Was? Seit wann?«, fragte er aufgeregt.
»Seit zwei Tagen«, bemerkte Misrachi trocken.
»Wieso haben Sie das nicht gemeldet?!«, rief Bar-El fassungslos.
»Das haben wir in der Tat versäumt. Unsere Abteilung ist überlastet«, sagte Dr. Misrachi. »Ich schlage vor, Sie kommen ins Krankenhaus«, setzte er noch hinzu und legte auf.
Und jetzt? Navon hatte ihn angewiesen, sich voll und ganz auf Nevos Ergreifung zu konzentrieren, und sein Gefühl sagte ihm, dass Merav wisse, wo ihr Exmann zu finden sei. Andererseits war die Vernehmung von Aronov für den Fall ausschlaggebend. Da durfte er nichts riskieren.
»Wir haben keine Wahl, wir müssen zurück nach Tel Aviv«, lächelte Schiri ihn an, und nachdem er diesen Dr. Misrachi nochmals verflucht hatte, kehrte er um. Wenn alles glattginge, würde Aronov Nevo wiedererkennen und er gegen Abend in die Arava fahren, um seinen Auftrag zu erfüllen.
* * *
Ohad Bar-El war nervös. Der Moment der Wahrheit, sein Moment, rückte näher. Dana Aronovs Täterbeschreibung stimmte, wie von ihm erwartet, eins zu eins mit der von Adi Regev überein. Viel wichtiger war aber, dass sie auf Ziv Nevo passte.
Auch er hatte den Artikel mit den Äußerungen Eli Nachums gelesen, den Dori Engel verfasst hatte. Er konnte seine Schlussfolgerung nicht im Geringsten nachvollziehen. Und wieso hatte er sich überhaupt an die Medien gewandt? Es war doch klar, dass das nichts Gutes bringen würde. Weder für die Ermittlungen noch für Nachum.
Ihm fielen Elis Worte ein: Eine Gegenüberstellung war wie das Backen eines Kuchens – zum Gelingen musste man sich ans Rezept halten. Da es sein erster Kuchen war, beschloss
Weitere Kostenlose Bücher