Tag der Vergeltung
sein Sohn Adam eine witzige Anekdote aus seinem Reservedienst zum Besten gegeben, und sie hatte, trotz der Vorfälle am Freitag, in das allgemeine Gelächter eingestimmt. Es war nur von kurzer Dauer gewesen, denn als seine Frau Irith sie lachen sah, begann sie vor Rührung zu weinen, und dann auch Adi und Michal, ihre kleine Tochter, und auch er hatte die Tränen unterdrücken müssen. Dennoch: Adi hatte wieder gelacht.
Er war hin- und hergerissen. Sollte er Irith in Nachums konspirativen Anruf einweihen? Zuerst wollte er es ihr ersparen. Sie hatte momentan genug Dinge, mit denen sie sich herumschlagen musste. Dann überlegte er es sich anders, er wollte sie auf seiner Seite haben.
Doch da erlebte er eine Überraschung. Sie hatte zwar nie einen Hehl daraus gemacht, dass sie »von schmutzigen Manövern und Halbwahrheiten« nichts hielt, doch er hatte fest geglaubt, in diesem Fall würde sie die Dinge aus seinem Blickwinkel betrachten. Schließlich ging es um ihre Tochter.
»Warum soll sie auf einmal lügen?«, fragte sie ihn zornig.
Es war ein Fehler gewesen, sie einzuweihen. Sie waren seit dreißig Jahren verheiratet, er hätte wissen müssen, dass sie es ihm nicht durchgehen lassen würde.
»Ist ja gut, ist ja gut. Wieso musst du aus jeder Sache ein Drama machen? Es ist doch nur für den Fall, dass sein Rechtsanwalt danach fragt. Keiner verlangt von ihr, zu lügen. Ich bitte dich. Warum musst du aus einer Mücke einen Elefanten machen?«
»Das gefällt mir nicht, Jaron. Das stinkt. Ich werde nicht zulassen, dass ihr lügt. Ich bin der Meinung, du musst diesen Eli Nachum anrufen und ihm sagen, dass ihr die Wahrheit sagt, wenn ihr danach gefragt werdet.« Sie gab nicht nach. Wie er diesen rechthaberischen Ton hasste, den sie anschlug, wenn sie zu wissen meinte, was richtig war.
»Sag mal, hörst du eigentlich, was du da von dir gibst?« Er war aufgebracht. »Wen genau lügen wir an? Den Täter? Den Abschaum, der ihn vertritt? Die sind es also, die du beschützt? Und deine Tochter, wer beschützt die? Ich bin hier doch der Einzige, der sich um sie sorgt!«
»Das ist billige Demagogie, und das weißt du.« Irith ließ sich nicht von ihm beirren. »Ich bin um Adi genauso besorgt wie du, auch ohne heimlich den Polizisten zu spielen und mich vor ihrem Haus zu postieren. Ich will genau wie du, dass er hinter Gitter kommt. Aber das Ganze soll ehrlich ablaufen. Die Polizei kann meinetwegen ihre scheußlichen Manöver absolvieren, aber ohne dass Adi kooperieren muss. Sie hat schon genug Schaden erlitten.«
Dieser Idealismus brachte ihn auf die Palme. Er verstand Nachum voll und ganz. Seit vielen Jahren leitete er eine Elektronikfirma. Vor fünf Jahren war die Firma an die Börse gegangen, und nun hatte auch er es mit unzähligen Elementen zu tun, die ihm auf die Füße traten und ihm die Arbeit erschwerten: Qualitätskontrolleure und Arbeitsschutz-Beauftragte, Betriebsinspekteure, Rechnungsprüfer, Rechtsanwälte, Verwaltungsangestellte, die nichts leisteten, von der Firma durchgefüttert wurden und ohne die er bei seiner Arbeit schneller und besser vorankäme. Manchmal musste man den Weg des geringsten Widerstands gehen, um eine Sache voranzubringen und die wirklich wichtigen Ziele zu erreichen. Er hatte das auch gemacht, nicht nur einmal. So war das im Leben.
Das Gespräch mit Irith war ein Fehler und reine Zeitverschwendung gewesen. Er stand auf.
»Wir sind noch nicht fertig«, sie konnte ebenfalls nicht länger sitzen und kam ihm mit dem erhobenen Zeigefinger, »zumindest will ich mit Adi reden, mal sehen, was sie davon hält.«
»Wieso mit Adi?«, schrie er sie an. »Hast du den Verstand verloren? Auf keinen Fall. Ich habe drei Wochen vor ihrem Haus verbracht, bis ich dieses Scheusal von einem Menschen erwischt habe. Ich lasse mir das von dir nicht kaputtmachen, Irith! Er wird in den Knast kommen und dort verfaulen, wie er es verdient hat, hast du gehört? Spar dir deine Belehrungen für diese Umweltorganisation. Das hier ist das richtige Leben. Du wirst da nicht dazwischenfunken, und du wirst mit niemandem darüber reden. Hast du mich verstanden, Irith? Lass die Finger davon!«
Er wartete ihre Reaktion gar nicht erst ab, sondern verließ mit raschen Schritten das Wohnzimmer. Dann knallte er die Tür vom Arbeitszimmer hinter sich zu. Verdammt noch mal. Wieso hatte er überhaupt mit ihr gesprochen?
* * *
Adi saß am Computer und ließ einen bunten Ball nach dem anderen explodieren. Er betrachtete sie und
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