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Tag der Vergeltung

Tag der Vergeltung

Titel: Tag der Vergeltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liad Shoham
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gemeinsamen Feind hatten, ließen sie sich vielleicht auf ein Gespräch mit ihm ein.
    »Mein Herr, ich bitte Sie darum, zu gehen. Wir haben jetzt keine Geduld«, sagte der Vater und deutete Richtung Ausgang.
    »Wie geht es Dana?«, probierte er einen anderen Weg.
    Angewidert wandten sie sich von ihm ab, ließen deutlich erkennen, dass sie nicht die Absicht hatten, mit ihm zu reden.
    »Hat sie etwas gesagt? Ist sie zu sich gekommen? Hat sie Ihnen irgendetwas erzählt?«, feuerte er die Fragen ab, die Dori ihm vorgeschrieben hatte.
    Schweigen.
    »Nicht ich bin Ihr Feind, im Gegenteil …«
    Die Mutter warf ihm einen zornigen Blick zu. Andere Journalisten wüssten garantiert, was an der Stelle angebracht wäre, welche Worte dieses Paar bewegen würden, draufloszureden, ihm ihr Herz auszuschütten. Mit diesem Talent war er nicht gesegnet oder zumindest hatte er nicht die nötige Erfahrung. Er war bei diesem Auftrag zum Scheitern verurteilt.
    »Möchten Sie sich zu der Vergewaltigung äußern? Mir etwas sagen, das in der Zeitung erscheinen soll?«, nahm er noch einmal Anlauf.
    Die Mutter stand auf und trat auf ihn zu. Der Vater sagte etwas auf Russisch zu ihr. Schien sie von etwas abhalten zu wollen.
    »Mein Mann hat Ihnen gesagt, dass Sie gefälligst gehen sollen … Respektieren Sie unseren Wunsch nach Privatsphäre.«
    »Ich gehe ja schon, sagen Sie mir nur …«
    »Wir wollen nicht mit Ihnen reden, sind Sie taub? Wir haben nichts zu sagen!«, rief sie und ihm fiel auf, wie ihre Lippen bebten.
    »Ich brauche etwas … für die Leser … die Leute, denen liegt etwas daran … Sie wollen wissen, wie es Ihnen geht, sie wollen von Dana hören, erfahren, was sie durchmacht …«
    Darauf war er nicht gefasst gewesen. Alles ging zu schnell. Die Mutter gab ihm eine schallende Ohrfeige.
    »Nun schreiben Sie doch mal, wie Sie sich fühlen!«, sagte sie und brach in Tränen aus, während er sie wie betäubt anstarrte. Ihr Mann stand rasch auf und nahm sie in die Arme.
    »Es tut mir leid … Sie müssen verstehen, dass wir sehr angespannt sind. Dana ist in einem kritischen Zustand …«, murmelte er, während die Frau in seinen Armen weinte.
    Wie angewurzelt stand er da, die Wange brannte, und ihm kamen die Tränen.
    * * *
    Als er in die Redaktion kam, sah er Dori vor dessen Büro die neueste Ausgabe Korrektur lesen. Dori stand, sodass er die Trennwände zwischen den einzelnen Schreibtischen überragte. Anlass genug, um von dort zu verschwinden, er käme nachher wieder. Momentan war er Dori nicht gewachsen. Es war jedoch zu spät, Dori hatte ihn bereits gesehen und winkte ihn in sein Büro.
    »Na, hast du es hingekriegt?«, fragte er ihn.
    »Sie wollten nicht reden …«, sagte er kleinlaut.
    »Was soll das heißen: Sie wollten nicht?«, hakte Dori nach. Gleich würde er losbrüllen.
    Er erwiderte nichts, verfluchte Dori, dass er ihn zu diesem Auftrag verdonnert hatte, und verdammte seinen Job bei dieser beschissenen Lokalzeitung. Vor zwei Tagen war ihm zufällig Amir Hasner in der »Höhle« über den Weg gelaufen. Sie hatten an der Uni zusammen Medien und Kommunikation studiert. Nicht genug damit, dass Amir Journalist bei Haaretz war, noch dazu hatte er angedeutet, dass er an einer Riesengeschichte dran sei, die in ein paar Tagen wie eine Bombe einschlagen würde. »Hat mit dem obersten Polizeichef zu tun«, hatte er ihm zugezwinkert. Er hatte nichts darauf erwidert, natürlich nicht, doch in seinen Schläfen hatte das Blut gepocht. Das hätte seine Story werden sollen!
    »Ihre Tochter liegt auf der Intensivstation …«, versuchte er zu erklären.
    »Ja, und? War mir eigentlich klar, dass sie nicht durchs alte Europa reist.«
    »Ich habe versucht, aus ihnen etwas herauszubekommen. Sie wollten nicht mit mir reden. Die Mutter hat mich geohrfeigt. Sie hat mir tatsächlich eine Ohrfeige gegeben!«
    »Oh je, oh je, du Armer«, zog Dori ihn auf, »die Mutter hat dir eine Ohrfeige gegeben? Dann bist du hoffentlich schnell in die Notaufnahme.«
    Er nahm es in Kauf. Was sollte er sagen?
    »Komm, mein Süßer, gleich her mit der anderen Wange, das bringt dich bestimmt wieder ins Gleichgewicht.« Dori kicherte.
    Er pfiff drauf. Wollte man Dori ruhigstellen, durfte man nicht darauf eingehen.
    »Ich hatte immer meine Zweifel an dir, Giladi«, kam Dori jetzt richtig in Fahrt. »Wenn’s drauf ankommt, das habe ich immer gewusst, bist du eine Heulsuse. Du hast einfach nicht das Zeug dazu, ein echter Journalist zu sein.«
    »Eltern auf

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