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Tag der Vergeltung

Tag der Vergeltung

Titel: Tag der Vergeltung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liad Shoham
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vergessen«, murmelte er und verschwand eilig im Gebäude, in der Hoffnung, dass der Wachmann der Letzte sei, der Erklärungen verlangte.
    Er machte Licht in seinem Büro. Noch bevor sein Blick auf die Akten fiel, die überall verstreut waren, die Kaffeetassen, die ohne Untertassen auf dem Tisch standen, und die Papiere, die jeden freien Zentimeter belegten, stieg ein neuer Geruch in seine Nase. Jemand hatte auf die Kommode hinter dem Tisch einen kleinen Flakon gestellt, der einen eigenartigen Geruch verströmte. Sein vertrautes Büro, in dem er so viele Jahre verbracht hatte, kam ihm unerwartet fremd, merkwürdig vor, ja, um ehrlich zu sein, stank es hier sogar ein wenig.
    Er war gekränkt. Nicht dass er noch mehr Beweise dafür gebraucht hätte, dass seine Zeit bei der Polizei abgelaufen war, jede Bestätigung dieser Art tat ihm aufs Neue weh. Die Schnelligkeit und die Grausamkeit, mit der die Dinge vonstatten gingen, machten ihn sprachlos. Was sollte er jetzt tun? Wohin gehen? Er war kein junger Mann mehr. Sein ganzes Leben hatte er im Polizeidienst verbracht. Polizist zu sein war seine Berufung.
    Wie erwartet lag auf seinem Schreibtisch, der nun Ohads Tisch war, die Ermittlungsakte zur jüngsten Vergewaltigung. Ohad liebte das Chaos und hatte sich nicht die Mühe gemacht, die Akte in seiner Schreibtischschublade einzuschließen. Eli fackelte nicht lang und machte sich schnellstens daran, Seite für Seite, Detail für Detail zu studieren. Die Ähnlichkeit der beiden Fälle war frappierend. Sogar die Messerstiche unterm Kinn waren analog, gleicher Winkel, gleiche Tiefe. Danach zweifelte er nicht länger daran, dass es sich um Ziv Nevo handelte.
    Zwei Unterschiede fielen ihm jedoch auf: Diesmal war das Opfer bewusstlos geschlagen worden. Zwar hatte Nevo Adi Regev mehrmals geschlagen, aber nicht mit einer derartigen Wucht, im Gegenteil, ihm war es darauf angekommen, dass sie alles mitbekam, kooperierte, um ihr Leben flehte. Zum Zweiten war Nevo hier mit Sicherheit nicht zum Höhepunkt gekommen. In Adi Regevs Fall war diese Frage offengeblieben. Zwischen der Vergewaltigung und ihrem Eintreffen im Krankenhaus war zu viel Zeit verstrichen, DNA-Spuren waren an ihr nicht nachgewiesen worden. Ihrer Beschreibung zufolge war er zum Höhepunkt gelangt, doch sicher wissen konnte man es nicht. Nevo hatte sich geweigert, auf diese Frage einzugehen. Diese beiden Punkte beunruhigten ihn. Gut möglich, dass es dafür denselben Grund gab. – Unter Umständen hatte er Angst gehabt, entdeckt zu werden, hatte wegen etwas oder wegen jemandem in der Nähe des Tatorts die Sache abbrechen müssen. Gab es noch eine zweite Sarah Glaser, die sich in Schweigen hüllte?
    Er sah sich die Fotos von Aronov an. Der Täter hatte ihr heftige Hiebe versetzt. Noch bevor er den medizinischen Bericht las, war ihm klar, dass ihr Nasenbein gebrochen war.
    Er hielt die Fotos näher vor seine Augen. Irgendetwas ließ ihm keine Ruhe, doch eindeutig benennen konnte er es nicht. Seine Hand wanderte zur Schublade. Zum Glück war Ohad wohl noch nicht dazu gekommen, sie auszuräumen, ging es ihm durch den Kopf, als er seine Lupe herauszog und sich die Fotos erneut vornahm. Ermittlung war Fleißarbeit. Kleine, unscheinbare Einzelheiten konnten sich als entscheidend erweisen. Dann legte er die Fotos zurück in die Akte und las den Bericht vom gerichtsmedizinischen Labor, konnte sich aber nicht richtig konzentrieren. Seine Unruhe ließ sich nicht vertreiben, da war irgendeine verborgene Asymmetrie. Wieder nahm er die Fotos zur Hand und prüfte sie mit Röntgenaugen, Detail für Detail, ohne fündig zu werden. Was suchte er eigentlich? Abrupt hielt er inne. Die rechte Hand, der Mittelfinger. Er führte die Lupe näher ans Auge. Ja. Da fehlte ein Ring. Die Haut war unterschiedlich gebräunt.
    Das Foto ließ ihn nicht los. Vielleicht hatte sie den Ring einfach abgezogen, ohne jeglichen Zusammenhang mit der Vergewaltigung. Vielleicht war er auch während des Kampfes, sollte einer stattgefunden haben, vom Finger gerutscht.
    Als das Krankenhaus die Polizei über die Vergewaltigung von Adi Regev informiert hatte, lag die Tat bereits drei Tage zurück. Sie hatte sich immer wieder geduscht, das Kleid weggeworfen, das sie getragen hatte. Hatte er sie gefragt, ob sie nach der Vergewaltigung etwas vermisst hatte? Er wusste es nicht mehr.
    Er suchte im Büro die Kiste mit dem Material von der Ermittlung, doch Adi Regevs Akte war geschlossen. Und selbst Ohads Unordnung schien

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