Tag der Vergeltung
Zeremonie gewürdigt worden waren, hatte er sich aufgerafft und um den Aufstiegslehrgang gebeten. Zwei Monate später war er zugelassen worden.
Die Sache mit dem Ring ließ ihn nicht los. Hatte der Täter ihn eingesteckt, war das keine Nebensächlichkeit, sondern ließ einen bedeutenden Rückschluss auf seinen Charakter zu.
Er nahm sein Handy, ging in eine Kabine und setzte sich auf den Klodeckel. Er würde hier festsitzen, bis Navon sein Büro verließ. Rasch suchte er die Nummer von Adi Regev. Gott sei Dank hatte er sie gespeichert. Er musste mit ihr reden, sie fragen, ob sie ebenfalls etwas vermisste. Möglicherweise sogar einen Ring.
Nach mehrmaligem Klingeln nahm sie ab.
»Adi«, sagte er leise, »hier ist Eli Nachum.«
* * *
Er lehnte den Kopf an die Kacheln und betrachtete die Kabinentür, die er verriegelt hatte. Sein Blick fiel auf einen halb abgerissenen Aufkleber mit einer Hotline für Vergewaltigungsopfer. Auf der Herrentoilette gab es diese Aufkleber nicht. Seine Bedenken, dass Adi Regev nicht mit ihm sprechen wolle, nach wie vor wütend auf ihn sei, hatten sich als falsch erwiesen. Vielmehr hatte sie versucht ihn zu erreichen, als sie von der zweiten Vergewaltigung erfahren hatte. Er sei in unbefristetem Urlaub, war ihr gesagt worden. Sie entschuldigte sich mehrmals, dass sie in ihrem Fall die Ermittlungen verdorben habe. »Ich war durcheinander, ich war wütend«, sagte sie und versprach ihm, dass er bei einer erneuten Gegenüberstellung auf sie zählen könne, sie würde wieder auf Ziv Nevo, den Täter, zeigen. Er hörte ihr geduldig zu und gab sein Bestes, sie zu beruhigen, versicherte ihr, dass er ihr nichts nachtrug, ihr Verhalten nachvollziehen könne und sich bewusst sei, was sie durchmache.
Auf dem Gang war es still. Offenbar war Mosche Navon wieder abgezogen.
Das Telefongespräch mit Adi Regev hatte ihm offenbart, dass ihm ein weiterer Fehler unterlaufen war, möglicherweise von allen der größte und entscheidendste: Auch ihr war in der Nacht der Vergewaltigung ein Ring abhanden gekommen. Sie hatte es bereits oben in der Wohnung bemerkt. Offenbar war er ihr vom Finger gerutscht, als der Täter sie hinter die Hecke geschleift hatte. Noch einmal hinunter auf den Hof zu gehen und nach dem Ring zu suchen, war nicht in Frage gekommen, sie hatte zu viel Angst gehabt. Zudem hatte sie der Sache keine großartige Bedeutung beigemessen, denn der Ring war nicht wertvoll gewesen. Da er bei der Spurensuche am Tatort offenbar niemandem in die Hände gefallen war, schien er weg zu sein.
Was diesen Fehler anging, konnte er, anders als in der Sache mit Sarah Glaser, die Schuld nicht Ohad in die Schuhe schieben. Er hatte Adi Regev selbst vernommen. Wieso in aller Welt hatte er sie nicht gefragt, ob sie irgendetwas vermisste?
Hätte er von dem Ring gewusst, hätten die Ermittlungen womöglich eine völlig andere Richtung genommen. Ziv Nevo gehörte nicht zu dem Typ Vergewaltiger, der sich eine Trophäe einsteckte, die Polizei provozierte. War er Jaron Regevs Anschuldigungen, dessen Schmerz blind gefolgt? Ließ auch er sich von dieser verfluchten Computerstatistik leiten? Und hatte er sich, um allen zu beweisen, dass er ebenfalls Fälle schnell abarbeiten konnte, zu übereilten Schlussfolgerungen hinreißen lassen und die einfache, die naheliegende Lösung vertreten, die grundlegend falsch war? Hundertprozentig war er davon überzeugt gewesen, dass Nevo der Vergewaltiger war, hatte es so sehr gewollt, dass er in Nevos Äußerungen Dinge hineininterpretiert hatte, die er gar nicht ausgesprochen hatte.
Sein Kopf war kurz davor, zu bersten. Wenn Nevo nicht der Vergewaltiger war, was hatte er dann in besagter Nacht in der Louis-Marshall gemacht? Warum hatte er sich derart schuldig gefühlt? Zumindest das war sicher. Es konnte nicht mit rechten Dingen zugehen, sollten ihn auch hier seine Sinne täuschen. Irgendetwas hatte sich Ziv Nevo zuschulden kommen lassen, was steckte dahinter? Wie hatte er bei seiner Vernehmung so nachlässig sein können?
Er musste Nevo ausfindig machen und prüfen, ob er eine Tätowierung hatte. War Ziv Nevo trotz aller Bedenken doch der Täter, bekäme Nachum eventuell eine zweite Chance. Ansonsten musste er einfach den wahren Vergewaltiger finden. Das war er Ziv Nevo, Adi Regev, Dana Aronov und unter Umständen dem nächsten Opfer nun einmal schuldig. Er war ihnen eine Menge schuldig.
31
»Er schläft«, flüsterte Merav ihrem früheren Ehemann zu und schloss die Tür hinter
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