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Tag des Opritschniks, Der

Tag des Opritschniks, Der

Titel: Tag des Opritschniks, Der Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Sorokin
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Rollband, das mich in die riesige Abfertigungshalle des Flughafens »Jermak Timofejewitsch« bringt. Ganz neu erbaut, von den Chinesen. Ich war schon dreimal hier. Immer in derselben Angelegenheit – bei der Wahrsagerin.
    Unter der riesigen Figur des Atamanen Jermak mit dem Leuchtschwert warten zwei Riesenbabys aus der Leibgarde der bedeutenden Prophetin auf mich. Obwohl einen Kopf größer als ich und in den Schultern doppelt so breit, nehmen sie sich neben Jermaks Granitstiefel aus wie zwei Feldmäuse in roten Kaftanen.
    Ich gehe auf sie zu. Sie verbeugen sich und bringen mich zu ihrem Auto. Vorher nehme ich schnell einen tiefen Zug der guten Toboler Luft. Hier ist es noch kälter als in Orenburg: zweiunddreißig Grad minus. So viel zur globalen Erderwärmung, von der sie im Ausland faseln. In Russland hat es noch richtig Frost und Schnee, meine Herren, da könnt ihr sicher sein.
    Man lädt mich in einen mächtigen chinesischen Jeep der Marke Zhu Bajie, die Stoßstange sieht aus wie ein Wildschweinrüssel. Diese Sorte Jeeps sieht man neuerdings überall in Sibirien herumfahren. Sie funktionieren zuverlässig, ohne Pannen, in Hitze wie bei strengem Frost. Die Sibirjaken sagen »Keiler« dazu.
    Zuerst fahren wir ein Stück Autobahn, dann eine schmalere Chaussee. Der Burschenführer aus Moskau meldet sich: Zur Auslöschung des Sterns sei allesvorbereitet, das Konzert beginne um 20 Uhr. Gut zu wissen – aber ob ich pünktlich sein werde, steht noch dahin.
    Eine Weile zieht sich die Straße durch lockeren Wald, bevor sie in die dichte Taiga hineinstößt. Wir fahren schweigend. Ringsum schneebedeckte Kiefern, Tannen und Lärchen, dicht an dicht. Ein schöner Anblick. Aber die Sonne neigt sich schon dem Horizont zu. In einer knappen Stunde wird es dunkel. Wir sind ungefähr zehn Werst gefahren, als unser Zhu Bajie auf einen zugewehten Feldweg einbiegt. Mein hauptstadtgängiger Merin würde hier sofort steckenbleiben. Dem »Keiler« macht es nichts aus – die anderthalb Arschin hohen Räder kneten den Schnee wie ein Fleischwolf. Der chinesische Keiler wühlt sich durch den russischen Schnee. Werst für Werst dringen wir in die jahrhundertealte Taiga ein, bis sich auf einmal eine große Lichtung auftut. Wir sind da! Mitten auf der Fläche erhebt sich eine skurril anmutende Hausburg, gefügt aus uralten Kiefernstämmen, mit neckischen Türmchen, vergitterten Luken, geschnitzten Fensterverkleidungen, einem geschuppten Kupferblechdach, bunten Wetterfahnen und -hähnen obenauf. Umgeben ist das Haus von einer zehn Arschin hohen Palisade aus fetten, oben angespitzten Bohlen. Unüberwindlich für Mensch und Tier. Der steinerne Jermak vom Flugplatz hätte vielleicht eine Chance – aber auch nicht ohne sich die Granitklöten zu schrammen.
    Wir fahren auf das hölzerne Tor zu. Es ist breit, mit schmiedeeisernen Beschlägen. Auf ein Signal aus unserem Zhu Bajie hin, das weder zu hören noch zu sehen ist, gehen die Torflügel auf, und wir rollen auf den Hof des Anwesens. Im nächsten Augenblick ist der Wagen von chinesisch gekleideten Wächtern mit Schwerternund Streitkolben umstellt. Sämtliche Hauswächter Praskowjas sind Kung-Fu-Meister aus China. Ich klettere aus dem »Keiler« und steige die paar Stufen bis unter das verschnörkelte Vordach, wo die wilden Tiere Sibiriens in geschnitzter Form versammelt sind, und zwar ausschließlich in Liebe und Harmonie. Unglaubliches gibt es da zu sehen: Der Luchs leckt dem Reh die Stirn, die Wölfe spielen mit den Wildschweinen, Fuchs und Hase küssen sich, und das Haselhuhn reitet auf dem Hermelin. Zwei Bären stützen die Säulen des Vorbaus.
    Ich trete ein.
    Drinnen ist alles ganz anders. Keine Schnitzereien, nichts Rustikales, nichts Russisches überhaupt. Glatte, nackte marmorverkleidete Wände, grün beleuchteter Steinfußboden, Ebenholzdecke. Brennende Leuchter, Duftkerzen. Von einer Granitwand ergießt sich ein Wasserfall, darunter ein Becken, in dem weiße Seerosen schwimmen.
    Lautlos treten die Diener der Wahrsagerin auf mich zu. Sie sind wie Schatten aus der Unterwelt: kühl ihre Hände, undurchdringlich die Gesichter. Zuerst nehmen sie mir die Pistole und den Faustkeil ab, dann Kaftan und Joppe, Mütze und Stiefel. In bloßem Hemd, Hosen und Ziegenwollsocken stehe ich nun da. Strecke die Arme nach hinten und bekomme von den lautlosen Dienern einen seidenen Kimono übergestreift. Die Stoffknöpfe werden geschlossen, an die Füße kommen weiche Pantoffeln. Diese Prozedur

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