Tag des Opritschniks, Der
Guangzhou ihren Anfang, durchquert China, kriecht durch Kasachstan, stößt durch das Südtor in der Südmauer herein und zieht sich dann quer durch unser liebes Russland bis nach Brest. Und von dort geraden Weges nach Paris. »Guangzhou–Paris«, das ist schon was! Die Trasse wurde gebaut, nachdem sich die Produktion aller wichtigen Industriegüter mehr oder weniger komplett nach China verlagert hatte. Eine zehnspurige Autobahn plus vier unterirdische Schnellzuggleise. Rund um die Uhr brummen die Schwertransporter hier entlang, flitzen die Silberpfeile unter der Erde. Man kann sich kaum sattsehen daran.
Wir kommen näher.
Die Trasse ist dreifach eingezäunt und scharf bewacht, um Diversanten und durchgeknallte Cyberpunks abzuhalten. Wir fahren auf das Gelände der Kläranlage. Ein schöner, großer Bau, ganz aus Glas, speziell auf die Bedürfnisse von Fernfahrern ausgerichtet. Es gibt hier einen Wintergarten mit Palmen, eine Sauna mit Schwimmbecken, chinesische Garküchen und russische Restaurants, Turnhallen, ein Freudenhaus mit kunstfertigen Nutten, Hotel, Kino, sogar eine Eisbahn, alles da.
Potrocha und ich gehen auf direktem Wege in den Klärungsraum. Dort sitzen sie schon auf Kohlen: der Sekretär der Zollkanzlei, der von uns geschmierte Untersekretär, zwei aus der Versicherungskammer, ein Obmann aus der Verkehrskanzlei und zwei Vertreter der Chinesen. Wir setzen uns dazu und beginnen mit der Klärung. Ein chinesisches Teemädchen tritt ein, bereitet weißen Tee zur Belebung von Körper und Geist, schenkt jedem lächelnd ein. Der Zollsekretär sträubt sich derweil wie ein Büffel.
»Der Track ist sauber, die Kasachen haben keine Einwände, der Vertrag ist wasserdicht und in Ordnung.«
Klarer Fall: Der Sekretär hat sich für die ganze Kolonne bezahlen lassen, alle zwölf Lastzüge, freie Fahrt bis nach Brest. An uns ist es nun, die Chinesen aufzuhalten, damit sie die Frist der Wegeversicherung überziehen, und dann kommt unsere Prämie obendrauf. Sie beträgt drei Prozent, das weiß an der Trasse jeder Hund. Diese drei Prozent machen, dass die Kasse der Opritschnina immer gut gefüllt ist. Und nicht nur sie. Es reicht für alle Verwahrer von Recht und Gesetz, für jeden fällt etwas ab. Mit diesen drei Prozent sind vielerlei ordentliche Ausgaben abgedeckt. Und Ausgaben haben wir, die Diener des Gossudaren, jede Menge. Das sollte ein Zollsekretär, der selber in Yuan schwimmt, doch wohl einsehen können?
Der Verkehrsobmann ist einer von uns. Er fängt an aufzufahren.
»Bei zwei Transportern ist die chinesische Plakette der technischen Durchsicht gefälscht. Wir benötigen eine Expertise.«
Ein Chinese widerspricht: »Die Plakette ist in Ordnung, hier ist das Zertifikat.«
Die Leuchthieroglyphen der Urkunde erscheinen vor uns in der Luft. Ein umgangssprachliches Chinesisch habe ich mir mit den Jahren zugelegt, ohne das käme man heutzutage nicht weit. Aber die Hieroglyphen sind für mich immer noch ein Buch mit sieben Siegeln. Dafür ist Potrocha firm im Chinesischen, er hat das Protokoll über einen Austausch der zweiten Turbine ausgegraben, belichtet es mit seinem Aschenputtel.
»Wo ist das Gütesiegel? Hersteller? Seriennummer?«
»Fabrik ›Rotes Paradies‹, Shantou, 380-6754069.«
Ah ja. Die Turbine ist sozusagen auf unserem Mist gewachsen. Da schlägt die Nummer mit der Plakette nicht an. Gar nicht so einfach heutzutage, an der Trasse zu arbeiten. Zu meiner Zeit waren diese Transporte bei Bedarf leicht aus dem Verkehr zu ziehen: Man stach ihnen ein Loch in den Reifen, hängte ihnen irgendetwas an, streute den Fahrern notfalls in der Garküche Hasch zwischen die Nudeln. Inzwischen wird da aufgepasst. Aber das macht nichts. Wir haben noch unser bewährtes altes Hausmittel. Die Xiaojie 1 , die den Tee serviert, ist zufällig auch geschmiert.
»Meine Herren, ich erachte unser Gespräch für beendet«, spricht der Sekretär und greift sich im selben Moment ans Herz.
Große Aufregung: Was hat er?
»Ein Herzanfall!«
Na so was. Die Xiaojie errötet nicht mal. Verbeugt sich und schwebt mit ihrem Teetischchen davon. Die Ärzte treten auf den Plan und schaffen den Sekretär weg. Er stöhnt und ist ganz bleich. »Das wird schon wieder, Saweli Tichonowitsch!«, beruhigen wir ihn.
Und ob das wieder wird. Die Chinesen erheben sich in dem Glauben, die Sache wäre geritzt. Aber nein, aber nein. Jetzt sind wir an der Reihe. Mit einer Steilvorlage an den geschmierten Untersekretär.
»Herr
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