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Tag des Opritschniks, Der

Tag des Opritschniks, Der

Titel: Tag des Opritschniks, Der Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Sorokin
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Untersekretär, wir hätten da noch eine Frage. Könnte es sein, dass die Wegeversicherung rückdatiert ist?«
    »Was, wie? Wie kommen Sie darauf? Aber das haben wir gleich …« Der Untersekretär stiert auf die Urkunde, richtet sein Aschenputtel darauf. »Stimmt! Die blaue Marke ist verwischt! Ach, ihr Halunken! Habt unseren vertrauensseligen alten Saweli an der Nase rumgeführt! Angeschmiert! Vergackeiert! Zuixing 2 !«
    Sieh an, was der Fall für eine Wendung nimmt.
    »Ganz unmöglich«, murmelt der Chinese. »Der Vertrag ist von beiden Grenzbehörden beglaubigt!«
    »Wenn der russländische Zollbeamte eine Unregelmäßigkeit entdeckt hat, müssen Expertise und Gegenexpertise erstellt werden«, antworte ich. »In Streitfällen wie diesem bin ich als Opritschnik mit Vollmachten befugt, unsere Seite zu vertreten.«
    Die Chinesen geraten in Panik: Dieses Verfahren frisst eine Unmenge Zeit, und die chinesische Versicherung läuft ab. Eine Verlängerung in die Wege zu leiten ist umständlicher, als eine Störrückenpastetezuzubereiten. Hierfür bräuchte es zunächst einmal eine Hygieneinspektion, eine nochmalige technische Durchsicht, dann ginge es von neuem zur Grenzkontrolle, und einen Sichtvermerk vom Kartellamt müssten sie sich auch noch besorgen. Bleibt also nur ein Ausweg.
    »Schließen Sie eine neue Versicherung ab, meine Herren.«
    Die Chinesen jaulen auf. Stoßen Drohungen aus. Ha, wem willst du denn drohen, Shabi 3 ? Versuch doch mal, dich bei irgendwem zu beschweren.
    »Eine russländische Versicherung ist der beste Schutz gegen Cyberpunks!«, schleimt der Obmann aus der Verkehrskanzlei.
    »Wo ist das Siegel?«, stoßen die Chinesen zähneknirschend hervor.
    Na, was dachtet ihr, wozu ich hier eingeflogen bin? Bitte schön: Meine linke Handfläche legt sich auf die Mattscheibe und zaubert das Kleine Staatssiegel hervor.
    Nun gibt es keine weiteren Fragen. Potrocha und ich, wir zwinkern uns zu: Die drei Prozent sind unser! Die Chinesen ziehen ab mit sauertöpfischen Mienen, der Untersekretär, der seines Amtes gewaltet hat wie geschmiert, haha, er geht seiner Wege. Wie alle anderen auch. Zurück bleiben Potrocha und ich.
    »Hab Dank, Komjaga!«, sagt Potrocha und schüttelt mir die Hand.
    »Schuld und Sühne, Potrocha!«
    Wir trinken unseren Tee aus und gehen an die frische Luft. Hier ist es kälter als in Moskau. Mit den Zöllnern haben wir Opritschniki einen alten Zwist. Kein Endeabzusehen. Und alles nur, weil die Zöllner dem Bruder des Gossudaren, Alexander Nikolajewitsch, unterstehen. Woran sich eben auf absehbare Zeit nichts ändern wird. Und dieser Alexander Nikolajewitsch kann unseren Alten auf den Tod nicht ausstehen. Zwischen den beiden muss irgendwas gewesen sein – dass nicht einmal der Gossudar es schafft, sie miteinander zu versöhnen. Da ist nichts zu machen – wie es war, so wird es bleiben, ein ewiger Krieg.
    »Ein bisschen Entspannung wäre jetzt das Richtige«, sagt Potrocha und fährt sich, die Zobelmütze in den Nacken schiebend, durch den goldenen Schopf. »Lass uns in die Sauna fahren. Da gibt es einen Masseur, der gut zupackt. Und zwei süße Guniangotschki 4 …«
    Er holt seinen Faustkeil hervor und zeigt sie mir. Ich sehe zwei bezaubernde Chinesinnen vor mir in der Luft schweben: die eine nackt auf einem Büffel reitend, die andere nackt unter einem brausenden Wasserfall.
    »Na?«, fragt Potrocha verschwörerisch zwinkernd. »Du wirst es nicht bereuen. Die sind besser als eure Moskauerinnen. Ewige Jungfrauen!«
    Ich blicke auf die Uhr: 15:00.
    »Geht nicht, Potrocha. Ich muss heute noch nach Tobol und anschließend in Moskau einen Stern auslöschen.«
    »Wie du meinst. Dann also zum Flughafen?«
    »Genau.«
    Während er mich hinbringt, schaue ich in den Flugplan und buche. Beinahe gerate ich in ein einstündiges Loch, doch es gelingt mir, einen schon auf der Piste stehenden Flieger zurückzuhalten. Er wartet auf mich, klarer Fall. Ich verabschiede mich von Potrocha und besteige das Flugzeug der Linie Orenburg–Tobol, setze einen Ruf an Praskowjas Sicherheitsgarde ab, weise sie an, mich abzuholen. Dann setze ich die Kopfhörer auf, ordere Rimski-Korsakows »Scheherazade«, lausche. Darüber schlafe ich ein.
    1 (chin.) Fräulein
    2 (chin.) Verbrechen
    3 (chin.) Arschloch
    4 Guniang (chin.) Mädchen

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    EINE STEWARDESS WECKT MICH mit sanfter Hand. »Herr Opritschnik! Wir sind schon gelandet.«
    Bestens. Ich trinke ein Glas Altai-Quell und verlasse das Flugzeug. Betrete das

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