Tag des Opritschniks, Der
über das Weben und über das Beben, über das Gießen und über das Schießen, über das Krappen und über das Frappen, über das Ziegeln und über das Wiegeln.«
Bloß keinen Streit mit ihr, ich sehe mich vor. Sie hat immer recht. Schnappt sie ein, bringt sie es fertig, dich im Genick zu packen und rauszuschmeißen. Ich aber habe eine wichtige Sache mit ihr zu bewerkstelligen.
»Warum sagst du nichts?«
»Was soll ich sagen?«
»Erzähl mir, was sich bei euch in Moskau so abspielt.«
Ich weiß, dass im Haus der Wahrsagerin weder Nachrichtenblasen noch Rundfunkgeräte vorkommen.Dies ist das eine. Zum anderen weiß ich, dass sie uns Opritschniki nicht leiden mag. Womit sie ja nicht alleine steht. Und das ist gut so.
»In Moskau ist das Leben trefflich, die Menschen leben im Wohlstand, keiner lehnt sich auf, eine neue Tunnelstraße vom Sawjolowoer Bahnhof nach Domodedowo ist im Bau …«
»Danach frage ich nicht, mein Täubchen«, fällt sie mir ins Wort. »Wie viele habt ihr heute umgebracht, sag? Du riechst mir nach frischem Blut.«
»Einen Bojaren haben wir zerquetscht.«
Sie blickt mich aufmerksam an.
»Einen zerquetscht und zehne gemeuchelt. Blut ist nicht zu decken mit Blut. Blut zu Blut wird selten gut. Schwächelt und schwitzt, steht wieder auf. Heilt unterm Grind, gärt doch geschwind, bricht auf und platzt und schmatzt als neues Blut.«
Dann starrt sie wieder in die Flammen. Aus ihr wird man nicht schlau: Beim letzten Mal, als sie hörte, dass die sechs Sekretäre der Handelskammer auf der Schädelstätte gestäupt worden waren, hat sie mich beinahe rausgeschmissen. Blutsauger, finstere!, hat sie gezischt. Beim vorletzten Mal wiederum, wie sie von der Hinrichtung des Wojewoden aus Fernost erfuhr, meinte sie, die Strafe wäre noch viel zu gering …
»Euer Gossudar ist eine weiße Birke. Und diese Birke trägt einen dürren Ast. Und auf dem Ast sitzt ein Geier, hackt dem lebendigen Eichhörnchen den Rücken rot, das Hörnchen knirscht mit den Zähnen. Wer ihm lauscht mit reinem Ohr, der hört zwei Worte aus dem Knirschen heraus: die Quelle das eine, der Osten das andere. Verstehst du, mein Lieber?«
Ich schweige. Sie darf sich alles herausnehmen. Jetzt schlägt sie mir mit welker Hand an die Stirn.
»Denk nach!«
Was gibt es da nachzudenken! Man kann denken, so viel man will, ein Sinn ist nicht herauszukriegen.
»Was ist es, das zwischen die beiden Wörter passt?«
»Ich weiß es nicht, Praskowja Mamontowna … Eine Lücke vielleicht?«
»Du bist nicht gescheit, mein Täubchen. Keine Lücke. Russland!«
Da haben wir’s. Russland … Wenn es um Russland geht, schlage ich schnell die Augen nieder. Schaue ins Feuer. Dort brennen »Der Idiot« und »Anna Karenina«. Und alles, was recht ist: Sie brennen gut. Das lässt sich von Büchern im Allgemeinen sagen. Erst recht Manuskripte – die brennen wie Zunder. Ich habe schon viele Scheiterhaufen aus Manuskripten brennen sehen – bei öffentlichen Gelegenheiten genau wie auf dem Hof der Geheimen Kanzlei. Die Schriftstellerkammer hat sogar selbst auf der Maneshnaja eine Verbrennung organisiert, sich von Staatsfeinden in ihren Reihen befreit und uns damit die Arbeit erleichtert. Eines kann ich sagen: In der Nähe von Bücherfeuern ist es immer irgendwie heimelig. Es sind Feuer, die wärmen. Am wärmsten ist es einmal vor achtzehn Jahren gewesen. Als das Volk auf dem Roten Platz seine Auslandspässe verbrannte. War das ein Feuerchen! Auf mich, der ich damals noch ein sehr junger Mann war, hat das großen Eindruck gemacht. Im Januar, bei strengstem Frost, folgten die Massen dem Aufruf des Gossudaren und kamen zum zentralen Platz des Landes geströmt, hatten ihre Pässe dabei und schmissen sie ins Feuer. Der Strom hörte nicht auf. Auch aus anderen Städten kamen sie gefahren, um sich des Erbes der Weißen Wirren zu entledigen. Und dem Gossudaren einen Eid zu schwören. Fast zwei Monate hindurch hat dieses Feuer gebrannt …
Ich werfe einen Blick auf die Wahrsagerin. Ihre grünen Augen blicken starr ins Feuer, selbstvergessen. Wie eine ägyptische Mumie sitzt sie da. Doch die Arbeit drängt. Ich wage zu hüsteln. Es kommt Bewegung in sie.
»Wann hast du zuletzt Milch getrunken?«, fragt sie mich.
Ich versuche mich zu erinnern.
»Vorgestern zum Frühstück. Aber pur nehme ich Milch nie zu mir, Praskowja Mamontowna. Immer nur im Kaffee.«
»Trink keine Kuhmilch, hörst du? Iss Kuhbutter. Weißt du, warum?«
Nichts weiß ich, verflixt
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