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Tag des Opritschniks, Der

Tag des Opritschniks, Der

Titel: Tag des Opritschniks, Der Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Sorokin
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die Gossudarin Halbtatarin oder -tschetschenin, hätte sie das gleiche Problem. Woran es nichts zu rütteln gibt. Und das ist gut so …
    Die weiße Tür geht auf, und Katerina kommt hereingewetzt. Sie beschnüffelt mich, blafft zweimal, niest, wie Hunde es tun, und springt auf ihren Sessel. Ich aber stehe auf, blicke durch den von erstarrten Wächtern flankierten Türrahmen. Höre, wie jemand festen, gemessenen Schrittes naht – und es erscheint, im Rauschen der tiefblauen Seide ihres Kleides, die Gossudarin in der Tür. Groß, breit, stattlich. Den eingeklappten Fächer in der kräftigen Hand. Das prächtige, üppige Haar frisiert, mit goldenen Kämmen festgesteckt, in denen kostbare Steine schillern. Um den Hals trägt die Gossudarin einen Samtring mit Padischah-Diamant, umschlossen von Saphiren. Ihr herrisches Gesicht ist gepudert, die sinnlichen Lippen sind geschminkt, und die tiefliegenden Augen unter den schwarzen Wimpern haben den gewohnten Glanz.
    »Setz dich!«, befiehlt sie mir mit einem Wink des Fächers und nimmt selbst im Sessel Platz, den ein Diener ihr herangerückt hat.
    Ich setze mich. Ein Diener bringt eine Seemuschelschale mit feingehacktem Taubenfleisch, setzt sie vor Katerina hin. Der Hund schlingt das Fleisch, während die Gossudarin ihm über den Rücken streicht.
    »Iss, mein Augenstern.«
    Die Diener bringen Rotwein im goldenen Krug, füllen das Glas der Gossudarin. Sie nimmt es in ihre große Hand.
    »Womit willst du mit mir anstoßen?«
    »Womit Ihr befehlt, meine Gossudarin.«
    »Einem Opritschnik steht es an, Wodka zu trinken. Gießt ihm einen Wodka ein!«
    Ich bekomme einen Wodka im Kristallglas gereicht. Lautlos tragen die Diener verschiedene Vorspeisen auf: Beluga-Kaviar, Krebsschwänze, chinesische Pilze, japanische Buchweizennudeln auf Eis, weichgekochten Reis, eingelegtes Gemüse. Ich ergreife mein Schnapsglas, erhebe mich und sage in großer Erregung: »Auf Euer Wohl, meine Gusso-… Gossuda-darin.«
    Vor Erregung stammele ich. Zum ersten Mal im Leben sitze ich mit der Gossudarin an einem Tisch.
    »Setz dich«, sagt sie und winkt mit dem Fächer ab, dabei nippt sie am Wein.
    Ich kippe den Wodka und setze mich wieder. Sitze da wie ein Ölgötze. So viel Schüchternheit hatte ich mir gar nicht zugetraut. Nicht mal vor ihm, dem Gossudaren, benehme ich mich so bedripst wie hier. Und von den Opritschniki bin ich bestimmt nicht der Genierlichste … Die Gossudarin gibt nicht weiter acht auf mich, fängt bedächtig an zu essen.
    »Was gibt’s Neues in der Hauptstadt?«, fragt sie.
    Ich zucke die Achseln.
    »Eigentlich nichts Besonderes, meine Gossudarin.«
    »Und uneigentlich?«
    Ihre schwarzen Augen schauen mich an, nageln mich fest, ich kann ihnen nicht entrinnen.
    »Uneigentlich … auch nichts weiter. Wir haben einen Edelmann zerquetscht – das höchstens.«
    »Kunizyn? Weiß ich schon. Hab ich gesehen.«
    Wahrscheinlich kriegt unsere Gossudarin, kaum dass sie aufgewacht ist, die Verlautbarungsblase vor die Nase gehalten. Wie auch sonst? Die Staatsgeschäfte …
    »Was noch?«, fragt sie, damit beschäftigt, Beluga-Kaviar auf einen gerösteten Kanten Kleiebrot zu streichen.
    »Ach eigentlich … ich weiß nicht«, brummele ich.
    Wieder dieser Blick.
    »Und wieso habt ihr euch bei Artamoscha so blöd angestellt?«
    Aha, von daher weht der Wind. Das weiß sie also auch schon. Ich atme tief ein.
    »Das habe ich verbockt, meine Gossudarin.«
    »Na bloß gut, dass du es so siehst«, sagt sie mit liebenswürdigem Blick. »Hättest du es auf die Wackeren Burschen geschoben, ich hätte dich verdreschen lassen, damit du’s weißt. Hier auf der Stelle.«
    »Verzeiht, meine Gossudarin. Ich war von anderen Dingen in Anspruch genommen und kam zu spät, um das Unheil noch abwenden zu können.«
    »Kommt vor«, sagt sie und beißt in ihr Kaviarbrot, trinkt Wein nach. »Iss!«
    Na Gott sei Dank. Zu essen ist in meiner Situation besser, als zu schweigen. Ich angele mir einen Krebsschwanz und befördere ihn in den Mund, schiebe ein Stück Brot hinterher. Die Gossudarin kaut, trinkt. Plötzlich aber ein nervöses Lachen. Sie stellt das Glas ab, hört auf zu kauen. Ich erstarre.
    Der Blick ihrer Augen wird durchdringend.
    »Sag mir, Komjaga, warum hassen die mich alle so?«
    Ich sauge Luft in die Lungen – und stoße sie wieder aus. Auf diese Frage habe ich keine Antwort. Aber ihre Augen sehen nun ohnehin durch mich hindurch.
    »Schön, ich liebe junge Gardeleutnants. Na und? Was ist daran so

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