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Tag des Opritschniks, Der

Tag des Opritschniks, Der

Titel: Tag des Opritschniks, Der Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Sorokin
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Ihr schwarzes Haar ist ein bisschen zerrauft, fällt schwer auf die üppigen Schultern. Die Daunendecke ist zurückgeschlagen. Auf dem Bett liegen ein japanischer Fächer, chinesische Jadekugeln, die man mit Hilfe der Finger einer Hand umeinander kreisen lässt, ein goldner Faustkeil, das schlafende Windspiel Katerina und ein Buch von Darja Adaschkowa: »Die unseligen Möpse«. In den molligen weißen Händen hält unsere Gossudarin eine goldene, mit Brillantsplittern gesprenkelte Tabaksdose. Ihr entnimmt sie gerade eine Prise Schnupftabak und stopft sie sich ins Nasenloch. Erstarrt. Schaut mich an mit ihren feuchten schwarzen Augen. Und niest. So heftig, dass die lila Quasten am Deckenleuchter erzittern.
    »Boah, ich sterbe …« Die Gossudarin lässt ihren Kopf nach hinten auf die vier Kissen fallen.
    Die Zofe kommt, wischt ihr die Nase mit einem Batisttüchlein und bringt ein Gläschen Kognak. Ohne den fängt für unsere Gossudarin der Morgen nicht an. Und bei ihr ist Morgen, wenn für andere Leute Abend ist.
    »Lass die Wanne ein, Tanja!«
    Die Zofe geht hinaus. Die Gossudarin beißt nach dem Kognak in einen Zitronenschnitz, streckt mir einen Arm hin. Ich greife danach, er ist schwer und schlaff. Auf mich gestützt, erhebt sie sich vom Bett.Klatscht schwer in die Hände und nähert sich einer fliederfarbenen Tür. Die Tür geht auf. Unsere Gossudarin schwebt hinein. Sie ist groß und beleibt, eine stattliche Erscheinung. Der Herrgott hat nicht gespart an ihr mit feister, weißer Fülle.
    Im Schlafgemach stehend, blicke ich unserer gewaltigen Gossudarin hinterher.
    »Was stehst du rum, komm rein!«
    Gehorsam folge ich ihr in das großzügige Badezimmer aus weißem Marmor. Zwei andere Helferinnen sind hier beschäftigt, bereiten das Bad vor, öffnen den Champagner. Mit dem schlanken Glas in der Hand setzt die Gossudarin sich auf den Abort. So ist es bei ihr Sitte – als Erstes einen kleinen Kognak, dann wird zum Champagner übergegangen. Die Gossudarin erledigt ihr Geschäft und nippt dabei am Glas. Dann steht sie auf.
    »Spann mich nicht auf die Folter! Erzähle.«
    Dabei hebt sie ihre weißen Arme in die Höhe. Blitzschnell ziehen ihr die Gehilfinnen das Nachthemd vom Leib. Die Augen niederschlagend, erhasche ich wieder einmal einen Blick auf unsere Gossudarin und staune, wie füllig und bleich sie doch ist. Das gibt es nicht noch einmal … Über ein paar marmorne Stufen steigt sie hinab in die gefüllte Wanne. Setzt sich nieder.
    »Alles ausgeführt wie befohlen, meine Gossudarin. Noch heute Nacht wird es geschehen, hat Praskowja gesagt. Sie hat das Nötige in die Wege geleitet.«
    Die Gossudarin schweigt. Trinkt einen Schluck Champagner. Seufzt. Seufzt so schwer, dass der Schaum in der Wanne in Schwingung gerät.
    »Heute Nacht?«, fragt sie zurück. »Meint sie, nach eurer Zeitrechnung?«
    »Sehr wohl, meine Gossudarin.«
    »Das hieße nach meiner Zeitrechnung … zu Mittag. Na schön.«
    Sie seufzt ein neues Mal. Trinkt ihr Glas leer. Bekommt ein neues gereicht.
    »Was will die Seherin dafür?«
    »Baltischen Hering, Farnsamen und Bücher.«
    »Bücher?«
    »Jawohl. Für den Kamin.«
    »Ach so …« Es fällt ihr wieder ein.
    Die Oberzofe tritt, ohne anzuklopfen, ein.
    »Meine Gossudarin, die Kinder sind da.«
    »Schon? Dann lass sie reinkommen.«
    Die Zofe entfernt sich und kehrt mit den zehnjährigen Zwillingen Andrej und Agafja zurück. Die Zwillinge kommen gerannt, fliegen der Mutter entgegen. Die Gossudarin erhebt sich in der Wanne, barbußig, die kolossalen Brüste mit den Armen bedeckend, lässt sich von den Kindern auf die Wangen küssen.
    »Guten Morgen, Mammilein!«
    Sie umhalst die beiden, ohne das Champagnerglas abzustellen.
    »Guten Morgen, meine Lieben. Ich bin heute ein bisschen spät dran. Vielleicht können wir ja zusammen frühstücken?«
    »Mama! Wir haben doch schon zu Abend gegessen!«, ruft Andrej und klatscht mit der flachen Hand auf das Badewasser.
    »Na, das ist ja fein«, sagt sie und wischt sich die Schaumflocken aus dem Gesicht.
    »Mammi, ich hab im Guojie 1 gewonnen. Ich hab das Baojian 2 gefunden!«
    »Haohanzi 3 !«, sagt die Gossudarin und gibt ihrer Tochter einen Kuss. »Mingming 4 .«
    Unsere Gossudarin spricht doch ein recht altmodisches Chinesisch.
    »Hab ich schon lange-lange-lange gewonnen!«, ruft Andrej und bespritzt seine Schwester mit Wasser.
    »Shagua 5 !«, ruft die Schwester und spritzt zurück.
    »Agafja, Andrej, sagt mal«, die Gossudarin runzelt die Stirn und

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