Tag und Nacht und auch im Sommer
und Marcantonios Souveränität unterrichten. Es war schmeichelhaft zu wissen, daß Hunderte in meine Kurse wollten, aber ich machte mir Gedanken über ihre Beweggründe. Ich wollte nicht als ein Lehrer gelten, bei dem einem nichts passieren kann. Ach, beim McCourt, das ist lauter Wischiwaschi. Da reden wir bloß die ganze Zeit. Laber, laber, laber. Wenn du bei dem kein A kriegst, Mann, dann gehörst du wirklich zu den Armen im Geiste.
Yonk Kling genehmigte sich bei Montero einen Nachmittagsbrandy. Er sagte, du siehst scheiße aus.
Danke, Yonk.
Trink einen Brandy.
Geht nicht. Ich muß eine Million Arbeiten korrigieren. Ich nehm ein Glas Rioja, Pilar.
Ist doch alles bestens, Frankie. Du magst die spanische Dudelsackmusik. Du magst den Rioja. Such dir ein nettes spanisches Mädchen. Und bleib das ganze Wochenende im Bett.
Ich setzte mich auf dem Barhocker zurecht und erzählte Yonk meine Geschichte. Ich glaube, ich bin zu harmlos. Vor harmlosen Lehrern hat niemand Respekt. Ein Lehrer an der Stuyvesant hatte mal den Beinamen Notenverschenker. Ich will sie dazu bringen, daß sie sich ihre Noten verdienen. Respekt haben. Die schreiben sich zu Hunderten für meine Kurse ein. Das treibt mich um, daß die Kids sagen könnten, ich sei harmlos. Neulich ist eine Mutter zu mir in die Schule gekommen und hat mich bekniet, ihre Tochter in meine Klasse aufzunehmen. Die Mutter war geschieden und hat mir angeboten, in einem Ferienort meiner Wahl ein Wochenende mit mir zu verbringen. Ich hab nein gesagt.
Yonk schüttelte den Kopf und meinte, manchmal sei ich nicht gerade der Hellste, irgendwo stecke ein verklemmter Spießer in mir, und wenn ich nicht endlich ein bißchen aus mir herausginge, sehe er schwarz für die Jahre, die vor mir lägen. Mensch, überleg doch mal. Du hättest rundum Freude schenken können. Ein heißes Wochenende mit der Mutter, eine rosige Schriftstellerzukunft für ihr Gör. Was ist eigentlich los mit dir?
Hätte keinen Respekt gebracht.
Zum Teufel mit dem Respekt. Trink noch einen Rioja. Nein. Pilar, gib ihm was von dem spanischen Brandy, auf meine Rechnung.
Na gut, aber dann ist wirklich Schluß, Yonk. Die vielen Arbeiten. Hundertsiebzig Aufsätze, jeder dreihundertfünfzig Wörter lang, wenn ich Glück habe, fünfhundert, wenn nicht. Ich ertrinke.
Er meinte, eigentlich stünden mir zwei Brandys zu, und er kapiere nicht, wie ich das überhaupt schaffte. Ihr Lehrer, einer wie der andere, ich kapier nicht, wie ihr das macht. Wenn ich Lehrer wäre, würde ich den kleinen Scheißern nur eins sagen: Haltet die Klappe. Haltet einfach die Klappe. Aber sag, hast du die Kleine in deine Klasse aufgenommen?
Ja.
Und das Angebot der Mutter steht noch?
Nehm ich an, ja.
Du sitzt hier und trinkst spanischen Brandy, obwohl du dich an einem Ferienort deiner Wahl aalen und deine professionelle Unschuld verlieren könntest?
Nach fünfzehn Jahren an vier verschiedenen High Schools – McKee, Textil- und Modeindustrie, Seward Park, Stuyvesant – und dem College in Brooklyn entwickle ich die Instinkte eines Hundes. Wenn im September und im Februar die neuen Klassen kommen, rieche ich ihre chemische Zusammensetzung. Ich achte darauf, wie sie schauen, und sie achten darauf, wie ich schaue. Ich kann die verschiedenen Typen unterscheiden: die Eifrigen, die Willigen, die Lässigen, die Abwartenden, die Gleichgültigen, die Feindseligen, die Opportunisten, die bloß kommen, weil sie gehört haben, daß ich Noten verschenke, die Verliebten, die nur hier sind, weil sie mit ihrem Schatz in einer Klasse sein wollen.
An dieser Schule muß man ihre Aufmerksamkeit gewinnen, sie herausfordern. Da sitzen sie, Reihe um Reihe, frische, intelligente Gesichter, die zu mir aufschauen, erwartungsvoll, bereit, mir die Chance zu geben, mich zu bewähren. Vor der Stuyvesant war ich mehr Aufseher als Lehrer. Ich vergeudete meine Zeit mit Routine und Disziplin, sagte ihnen, sie sollten sich hinsetzen und ihre Hefte aufschlagen, lehnte Forderungen nach dem Paß ab, ging auf ihre Beschwerden ein. Hier gab es kein ruppiges Verhalten mehr.
Keine Klagen, weil jemand schubst oder geschubst wird. Keine fliegenden Pausenbrote. Keine Entschuldigung dafür, daß ich nicht unterrichte.
Wenn du’s nicht bringst, verlieren sie den Respekt. Beschäftigungstherapie ist eine Beleidigung. Sie merken es, wenn du ins Schwafeln gerätst oder die Zeit totschlägst.
Am Broadway verwöhnt das Publikum die Schauspieler mit
Höflichkeit und
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