Tag und Nacht und auch im Sommer
und Collegevorbereitung ganz an den Nagel hängen und das Klassenzimmer in eine Lehrküche verwandeln? Warum gründen wir nicht einen Stuyvesant-High-School-Rezeptchor und geben in der ganzen Stadt und in aller Welt Konzerte, zum Nutzen dieser Kinder, die ihre Zeit in Ihrer Klasse vertrödelt haben, McCourt, die deswegen nicht aufs College gekommen sind und jetzt in Pizzabuden mit Teigfladen jonglieren oder in zweitklassigen französischen Bistros mitten in der Stadt Geschirr spülen? So weit wird’s nämlich kommen. Diese Kinder können vielleicht Rezepte für eine Pâté de dies oder das singen, aber sie werden nie Vorlesungen an einer renommierten Universität hören.
Zu spät. Ich kann unmöglich morgen vor sie hintreten und ihnen sagen, April April, vergeßt die Kochbücher, keine Rezepte mehr. Pack die Flöte ein, Michael. Bring deine Mutter zum Schweigen, Penny. Schade um deine Oboe, Brian.
Aber hatten wir, abgesehen von Brians kleinem Aufstand, nicht drei Tage mit hundertprozentiger Beteiligung der Klasse? Und vor allem: Hat’s dir nicht auch selber Spaß gemacht, Lehrer?
Oder warst du wieder mal nur der Trottel vom Dienst und hast dich von Mark Twain und F. Scott Fitzgerald in den unteren und von Wordsworth und Coleridge in den oberen Klassen abbringen lassen? Solltest du nicht verlangen, daß sie täglich ihre Bücher mitbringen, damit sie sich in die Texte versenken und nach dem tieferen Sinn schürfen können?
Ja, ja, aber nicht jetzt, nicht jetzt.
Haben dich die Kids durchschaut? Spielen sie mit dir, genau wie mit den Rezepten und der Musik? Mea culpa , wieder mal. Bist du im Grunde genommen doch ein Betrüger? Spielst du damit, wie sie mit dir spielen? Du kannst dir vorstellen, was die Kollegen in der Lehrerkantine sagen: Der Ire verschaukelt seine Klassen. Die machen da – Mann, du glaubst es nicht –, die machen da nichts anderes, als Kochbücher zu lesen. Ja. Von wegen Milton und Swift, Hawthorne und Melville. Nichts da. Herrgott noch mal, die lesen Freude am Kochen und Omas Küche und singen Rezepte. Da greift man sich doch an den Kopf! Auf dem Flur versteht man sein eigenes Wort nicht mehr vor lauter Oboen- und Flötengedudel und im Chor aufgesagten Rezepten. Was denkt der sich eigentlich?
Vielleicht solltest du ja nicht so erpicht darauf sein, Spaß zu haben. Du warst immer höchst einfallsreich, wenn es darum ging, dich selbst unglücklich zu machen, und das solltest du nicht ganz verlernen. Vielleicht probierst du’s wieder mal mit dem Erstellen von Satzdiagrammen oder dem Schürfen nach dem tieferen Sinn? Du könntest deinen geplagten Halbwüchsigen Beowulf und die Chroniken aufs Auge drücken. Und wie war das mit deinem großartigen Förderprogramm für dich selbst, du Universalgelehrter? Schau dir dein Leben außerhalb der Schule doch an. Du gehörst nirgends dazu. Der Mann am Rande. Du hast keine Frau, und dein Kind siehst du kaum. Keine Vision, keinen Plan, kein Ziel. Steig einfach in die Krypta, Mann. Verschwinde, und hinterlaß keine Spuren außer Erinnerungen an einen Mann, der sein Klassenzimmer in ein Spielzimmer,
eine Rap-Session und ein Forum für Gruppentherapie verwandelt hat.
Warum denn nicht? Scheiß drauf. Wofür gibt’s überhaupt Schulen? Ist es vielleicht Aufgabe des Lehrers, Kanonenfutter für den militärisch-industriellen Komplex zu liefern? Formen wir Päckchen für die Fließbänder der Konzerne?
Oh, oh, werden wir jetzt aber feierlich. Jetzt fehlt mir nur noch die Kanzel.
Schaut mich an: Der ziellose Spätzünder, der herumstolpernde alte Furz entdeckt jetzt, mit über Vierzig, was seine Schüler schon als Halbstarke wissen. Bitte kein Gejammer. Keine Trauergesänge für mich. Keine Abschiedstränen.
Ich werde vor Gericht zitiert, unter der Beschuldigung, ein Doppelleben zu führen. Beweis: Ich gehe im Unterricht meinem eigenen Vergnügen nach und bringe meine Schüler um eine ordentliche Ausbildung, während ich mich allnächtlich auf meiner zölibatären Pritsche wälze und mich frage, Himmel hilf, was soll das alles?
Ich muß mir nebenbei selbst gratulieren, weil ich nie verlernt habe, mein Gewissen zu erforschen, nie die Gabe eingebüßt habe, mich als unzulänglich und mit Mängeln behaftet zu sehen. Warum sich vor der Kritik anderer fürchten, wenn du dich immer selbst als erster ins Kritikergetümmel stürzt? Wenn das Rennen Selbstbezichtigung heißt, bin ich schon Sieger, bevor noch der Startschuß gefallen ist. Kassiert eure
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