Tag und Nacht und auch im Sommer
Wettgewinne.
Angst? Das ist es, Francis. Der kleine Kerl aus dem Armenviertel fürchtet, seinen Job zu verlieren. Fürchtet, man wird ihn in die äußerste Finsternis werfen, wo ihn ohrenbetäubendes Jammern, Heulen und Zähneklappern peinigt. Tapferer, phantasievoller Lehrer ermuntert Teenager, Rezepte zu singen, fragt sich aber, wann das Fallbeil heruntersausen wird, wann Besucher aus Japan den Kopf schütteln und ihn in Washington anschwärzen werden. Besucher aus Japan werden in meinem Klassenzimmer
sofort Anzeichen für die Degeneration Amerikas entdecken und sich fragen, warum sie den Krieg verloren haben.
Und wenn das Fallbeil heruntersaust?
Zur Hölle mit dem Fallbeil.
Am Freitag hatten wir volles Programm. Vier Gitarristen zupften an ihren Saiten, der bekehrte Brian übte auf seiner Oboe, Michael ließ seine Flöte trillern, Zach trommelte die kulinarischen Themen auf den kleinen Bongos zwischen seinen Knien, und zwei Jungen spielten Mundharmonika. Susan Gilman stand bereit, um die Stunde mit einem Rezept zu dominieren, das über mehrere Spalten lief, siebenundvierzig Arbeitsgänge umfaßte und Zutaten verlangte, die man im amerikanischen Durchschnittshaushalt vergeblich sucht. Sie sagte, es sei pure Poesie, und Michael war so hingerissen, daß er sich bereit erklärte, ein Stück für Holzbläser, Streicher, Bongos und Susans Singstimme zu komponieren. Pam wird ein Pekingentenrezept auf kantonesisch vortragen, und ihr Bruder, der in eine andere Klasse geht, spielt ein seltsames Instrument, das noch keiner hier jemals gesehen hat.
Ich versuche, ein bißchen Lehrstoff einzubauen. Ich sage, wer ein aufmerksam beobachtender Schriftsteller ist, dem wird die Bedeutung dieses Ereignisses klar sein. Zum ersten Mal überhaupt wird ein chinesisches Rezept mit Hintergrundmusik vorgelesen werden. Ihr müßt wach sein für historische Augenblicke. Ein Schriftsteller fragt sich immer, was geht hier vor? Immer. Ihr könnt euren letzten Dime darauf verwetten, daß ihr nirgends in der Geschichte, chinesisch oder nicht, einen solchen Augenblick finden werdet.
Ich betätige mich als Chronist. Ich schreibe die Programmpunkte an die Tafel. Als erste kommt Pam mit ihrer Ente, dann Leslie mit englischem Trifle, Larry mit Eier Benedict, Vicky mit gefüllten Schweinekoteletts.
Die Gitarren, Oboen, Flöten, Mundharmonikas und Bongos spielen sich warm. Die Vorleser üben stumm ihre Texte.
Die schüchterne Pam nickt ihrem Bruder zu, und der Pekingentenvortrag beginnt. Es ist ein langes Rezept, und Pam singt es mit hoher, klagender Stimme, während ihr Bruder die Saiten seines Instruments zupft, so lange, daß nach und nach die anderen Musiker einfallen, und als Pam die Lesung beendet, spielen alle Instrumente und fordern Pam zu so hohen Oktaven und so drängenden Rhythmen heraus, daß Konrektor Murray Kahn das Schlimmste befürchtet und aus seinem Büro herbeieilt, und als er durch das Türfenster schaut und sieht, was für eine Veranstaltung hier läuft, kann er nicht widerstehen, kommt herein und schaut mit weit aufgerissenen Augen zu, bis Pams Stimme immer leiser wird, die Instrumente verklingen und die Ente fertig ist.
Bei der Manöverkritik meinten einige, Pam hätte als letzte vortragen sollen. Sie sagten, ihr Entenrezept und die chinesische Musik seien derart dramatisch gewesen, daß alles andere daneben blutleer gewirkt habe. Außerdem fanden sie, Sprache und Musik hätten oft nicht zusammengepaßt. Es sei ein schwerer Fehler, Bongos als Hintergrund zu einem englischen Trifle einzusetzen. Dazu brauche man die Zartheit und Sensibilität der Violine oder vielleicht des Cembalos, und sie könnten überhaupt nicht verstehen, daß irgend jemand Bongos mit englischem Trifle in Verbindung bringen könne. Und apropos Violine, Michaels Begleitmusik zu den Eiern Benedict sei einfach perfekt gewesen, und auch die Kombination Bongos und Mundharmonika für die gefüllten Koteletts sei klasse gewesen. Schweinekoteletts verlangten geradezu nach der Mundharmonika, und es sei schon verblüffend, daß man sich das passende Instrument zu einem bestimmten Gericht vorstellen könne. Man muß radikal umdenken, Mann. Sie sagten, die Kids in den anderen Klassen würden auch lieber Rezepte lesen als Alfred Lord Tennyson und Thomas Carlyle. Die anderen Englischlehrer
nahmen richtigen Stoff durch – Gedichtinterpretationen, Facharbeiten und korrekter Umgang mit Fußnoten und Bibliographie.
Der Gedanke an die anderen Englischlehrer und
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